Gaudí-Schau in Wien

Eine Ausstellung zum Leben und Werk von Antoni Gaudí (1852-1926) ist bis zum 2. November im Architekturzentrum Wien im MuseumsQuartier zu sehen: "Gaudí. Eine zukunftsweisende Architektur", kuratiert von Daniel Giralt-Miracles.

Gaudís Werke, vor allem die mächtige Kathedrale Sagrada Familia oder das prächtige Bürgerhaus La Pedrera prägen das Gesicht Barcelonas ganz maßgeblich. Der Visionär, der sich bei seinen Konstruktionen stets die Natur zum Vorbild nahm, gilt als Aushängeschild der katalanischen Hauptstadt.

Kulturjournal, 01.10.2014

Auf seinem morgendlichen Weg zur Baustelle der Sagrada Familia wurde Antoni Gaudí im Juni 1926 von einer Straßenbahn erfasst und tödlich verletzt. Man brachte den armseligen Kerl in ein Armenspital - wegen seines verwahrlosten Äußeren hatte man den berühmten Architekt nicht gleich erkannt.

Wer war der Mann, der sich als zölibatär lebender Laie ganz der Architektur verschrieb und das Gesicht der Stadt so maßgebend modellierte? Ein Visionär, der seinen Zeitgenossen künstlerisch und technisch weit voraus war, sagt Daniel Giralt-Miracle, Initiator und Kurator der preisgekrönten Schau, die schon in mehreren europäischen Städten zu sehen war, zuletzt in Brüssel: "Er war ein Architekt des 19. Jahrhunderts, aber er wusste, dass man im 20. Jahrhundert neue Lebens- und Wohnformen brauchen würde."

Natur als Lehrmeister

Stiegenaufgänge, die sich wie Schneckenhäuser winden, Säulen, die wie Bäume mit verzweigten Kronen in die Höhe ragen oder wie geneigte, schlanke Insektenbeine konstruiert sind. Es ist nicht zu übersehen: Gaudís Lehrmeister war die Natur. "Hinter den überbordenden Ornamenten und verspielten Formen allerdings steht der Rationalist Gaudí mit seinen nüchternen Skeletten und durchdachten Elementen", sagt Giralt-Miracle. Der Sohn eines Kupferschmieds habe immer bewusst Handwerk und wissenschaftliche Forschung vereint und dem Modell stets den Vorteil gegenüber dem Plan gegeben.

Sagrada Familia als Jahrhundertprojekt

Zunächst mit der Statik der tragenden Säulen befasst, widmete sich Gaudí in seinem Spätwerk mit Vorliebe den Dächern und Turmspitzen seiner Gebäude. Wie etwa das Dach von La Pedrera am Passeig de Gràcia eindrucksvoll demonstriert. "Die verschiedenen Stationen seiner architektonischen und künstlerischen Entwicklung lassen sich besonders gut an der Kathedral Sagrada Familia nachvollziehen", so der Kurator. Sie war und ist Gaudís Hauptwerk, dem er sich ab 1914 ausschließlich widmete. Noch heute sind 300 Menschen täglich am Bau beschäftigt. 2026, zum 100. Todestag des Meisters, soll sie fertig gestellt sein.

Einblicke in Methoden und architektonische Experimente

Mit Plänen und Modellen, bei denen Gaudí die damals neuartige Fotografie einsetzte, mittels Bildern seiner Werkstätten und filmischen Spaziergängen durch seine Gebäude gibt die Ausstellung Einblicke in das Denken und Bauen des katalanischen Visionärs. Er experimentierte mit Glas, Holz, Metall oder Stein und gestaltete auch die Innenarchitektur seiner Bauten bis ins kleinste Detail - vom Fenstergriff bis zum Inventar. Als Möbeldesigner schuf er Stühle und Hocker, die als architektonische Miniaturformen stets der menschlichen Ergonomie verpflichtet waren. Wie seine Gebäude stellten sie eine Verbindung von Struktur, Funktion und Ornament dar.

Katalanische Kultur und Identität

300 Jahre nach der Kapitulation Barcelonas vor den Bourbonen bringt die Ausstellung ein wichtiges Stück katalanischer Baukunst und katalanischer Identität nach Wien, nur wenige Tage, nachdem das Referendum zur katalanischen Unabhängigkeit beschlossen, und kurz darauf vom spanischen Verfassungsgerichtshof als rechtswidrig befunden wurde. Die unverwechselbare Formensprache des Katalanen Antoni Gaudí, seine experimentelle Methode und der Einsatz modernster Technologien machten ihn vor allem in den letzten Jahrzehnten über alle sprachlichen und nationalen Grenzen hinweg weltberühmt. "Wir in Barcelona leben heute von Gaudí", schmunzelt Giralt-Miracle, und bezieht sich nicht zuletzt auf die drei Millionen Eintrittskarten für die Sagrada Familia, die jährlich gelöst werden.

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