Islam und Faschismus

"Der islamische Faschismus" heißt ein Buch des deutsch-ägyptischen Autors und Politologen Hamed Abdel-Samad. Darin legt er Parallelen zwischen islamistischen Bewegungen und der faschistischen und nationalsozialistischen Ideologie dar.

Hamed Abdel-Samad

Hamed Abdel-Samad

EPA/INGA KJER

Angesichts des IS-Terrors in Syrien und im Irak sieht sich Abdel-Samad in seinen Thesen bestätigt. Doch sein Buch, das im April dieses Jahres herausgekommen ist, hat hohe Wellen geschlagen und dem Autor Morddrohungen von radikal-islamischer Seite, aber auch Kritik von Intellektuellen eingebracht. Besonders umstritten ist dabei seine These, dass dem Islam schon seit seiner Entstehung faschistische Tendenzen zugrunde liegen. Heute Abend ist Abdel-Samad zu Gast bei einem Wiener Stadtgespräch in der Arbeiterkammer.

Kulturjournal, 02.10.2014

Die Einteilung der Welt in Gut und Böse, die Ablehnung der Moderne, Führerprinzip und Gehorsam, die Glorifizierung von Opfer und Tod: All diese äußeren Merkmale hätten Islamismus und Faschismus gemeinsam, beschreibt Hamed Abdel-Samad in seinem Buch. Beide Strömungen seien als Folge des Ersten Weltkriegs entstanden, als die großen Weltreiche im Westen und Osten zusammengebrochen waren. Die aktuelle Entfesselung radikalislamischer Gewalt in Syrien und im Irak habe er kommen sehen, sagt der Autor und Politologe. Viele islamische Staaten seien mittlerweile gescheiterte Staaten, Arbeitslosigkeit in Kombination mit dem hohen Anteil junger Menschen habe zum Erfolg radikaler Kräfte geführt.

"Mein Abschied vom Himmel"

Hamed Abdel-Samad, der seit bald 20 Jahren in Deutschland lebt, war als Student in Kairo selbst Teil der Muslimbruderschaft. Der Sohn eines Imams fühlte sich vom revolutionären Geist der Muslimbrüder angezogen, die den jungen Männern verhießen, sie könnten die ganze Welt von Ungläubigen befreien. Irgendwann musste er feststellen, dass es der Bewegung vor allem darum ging, ihre Mitglieder zu blindem Gehorsam zu erziehen. Heute verstehe er, wie es terroristische Organisationen wie der Islamische Staat schaffen, sogar in Europa junge Menschen für den Dschihad zu rekrutieren.

In seiner Autobiographie "Mein Abschied vom Himmel" arbeitete Abdel-Samad seine Erlebnisse bei den Muslimbrüdern auf - eine Gruppe in Ägypten belegte ihn daraufhin mit einer Fatwa, und der Autor stand erstmals unter Polizeischutz. Doch auch ohne das Zutun islamistischer Kräfte versteht es Abdel-Samad, medial auf sich aufmerksam zu machen.

2010 gestaltete er mit dem Journalisten Henryk Broder die Satireserie "Entweder Broder": Auf einer sogenannten "Forschungsreise" quer durch Deutschland behandelten die beiden Themen wie Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie.

Medial wirksam legt Abdel-Samad nun auch seine Thesen über die Zusammenhänge von Faschismus und Islamismus dar, wobei er noch einen entscheidenden Schritt weitergeht: Faschistoide Tendenzen im Islam gebe es nicht erst seit der Moderne - sie seien schon im "Ur-Islam" zu finden, wie es der Autor ausdrückt. Denn anders als Jesus sei Mohammed nicht nur Prediger, sondern über 20 Jahre auch Feldherr, Finanzminiester, Gesetzgeber und Richter gewesen; den politischen Islam habe es also immer schon gegeben. Seitdem Abdel-Samad seine Thesen bereits 2013 in Kairo dargelegt hat, ist er mit Morddrohungen konfrontiert und steht ständig unter Personenschutz.

Kritik gibt es aber auch von intellektueller Seite. Über Jahrhunderte währende theologische Debatten, die vielseitige Auslegung biblischer und koranischer Texte seien dem Autor unbekannt oder egal, meint etwa der deutsche Islamwissenschaftler und Historiker Hannes Bode. Jüngste Forschungen würden belegen, dass die Kulturen des Nahen Ostens bis weit ins 19. Jahrhundert hinein von hoher Ambiguitätstoleranz geprägt waren, dass also islamisch geprägte Kulturen viele unterschiedliche Weltanschauungen friedlich integrierten, ohne eine absolute Wahrheit zu beanspruchen. Erkenntnisse, die Abdel-Samad einfach übergehe, kritisiert Bode.

Das Buch "Der islamische Faschismus" hat seine Wirkung schon getan: Rechtspopulisten aus Deutschland und Österreich haben seine Thesen freudig aufgegriffen, vergangenen Mai war der Autor bei einer Diskussionsveranstaltung der FPÖ in Wien zu Gast. Berührungsängste mit der politisch Rechten habe er keine, sagt Abdel-Samad.

Dass er das Feindbild Islam selbst schüre, weist der Autor und Politologe zurück. Musliminnen und Muslime geraten zunehmend unter den Generalverdacht des Extremismus, gewaltsame Übergriffe und Diskriminierung häufen sich auch in Österreich. Hamel Abdel-Samad selbst fühlt sich in Deutschland bedroht; er könne weder U-Bahn fahren noch in ein Straßencafé gehen. Europa werde zunehmend ungemütlich für Islamkritiker, sagt der Autor und plant, Deutschland zu verlassen. Wann und wohin, will er aus Sicherheitsgründen nicht sagen.

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