Italienische Opernhäuser in der Krise
In der vergangenen Woche hat Stardirigent Riccardo Muti sein Amt als Musikdirektor der Staatsoper in Rom niedergelegt. Er könne nicht mehr in Ruhe schlafen angesichts von Streiks, die aufgrund radikaler Sparmaßnahmen drohten, ließ er verlauten. Aber nicht nur in Rom, sondern in ganz Italien schaut es für Opernhäuser schlecht aus – Streiks und Zwangsschließungen inklusive.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 3.10.2014
Italiens Opernkrise betrifft nicht nur Roms Staatsoper, wo vergangene Woche Riccardo Muti das Handtuch warf. Immer mehr Dirigenten verlassen die schwer angeschlagenen Theater. In Neapel zum Beispiel, am altehrwürdigen Teatro San Carlo. Dort trat vollkommen überraschend, wie Muti in Rom, in der vergangenen Woche Nicola Luisotti vom Amt des Generalmusikdirektors zurück.
"Offiziell heißt es, dass Luisotti das San Carlo verlässt, weil er anderweitige Verpflichtungen weltweit hat, aber es pfeifen doch die Spatzen von den neapolitanischen Dächern, dass dahinter etwas anderes steckt", sagt der römische Musikkritiker Franco Soda. "Fakt ist, dass damit die gesamte beginnende Spielzeit des wichtigsten Theaters der Stadt auf dem Spiel steht."
Ähnlich wie in Rom hatte Luisotti in Neapel das San Carlo musikalisch aufgemöbelt. Doch immer noch steckt das Haus in Schulden und ein staatlicher Kommissar kontrolliert sämtliche Ausgaben. Luisotti wird wohl - wie sein Kollege in Rom - angesichts drohender Streiks aufgrund bevorstehender Sparmaßnahmen kalte Füße bekommen haben.
Das gleiche Szenarium auch in Bari, der Hauptstadt der Region Apulien. Das dort nach Jahre langer Verwahrlosung teuer restaurierte und erst im vergangenen Jahr mit Pauken und Trompeten wieder eröffnete Opernhaus Teatro Petruzzelli muss ebenfalls radikal sparen, um nicht bald schon dichtzumachen.
"Da werden mitten in der Spielzeit Inszenierungen gestrichen. Generalmusikdirekter Daniele Rustioni kann jetzt Puccinis ‚Trittico’, das ihm besonders am Herzen liegt, nicht mehr dirigieren", weiß Franco Soda und weiter: "Rustioni schrieb deshalb einen bitterbösen Brief an seinen Intendanten und an den Bürgermeister, in dem er den Sparkurs und das Desinteresse der Politik an der Kultur scharf verurteilt."
Rustioni, mit seinen 31 Jahre einer der interessantesten italienischen Dirigenten seiner Generation, nahm, wie seine Kollegen in Rom und Neapel, ebenfalls seinen Hut und ging. Das Teatro Petruzzelli, eines der schönsten und größten Opernhäuser Italiens, das ohnehin schon in Ermangelung von Finanzmitteln eine recht magere Saison bietet, wird jetzt noch weiter abgespeckt: Rustioni zufolge bis zur Bedeutungslosigkeit.
Auch in Genuas Opernhaus Teatro Carlo Felice hängt der Hausfrieden schief: das jetzt errechnete Minus ist mit sechs Millionen Euro ist höher als erwartet.
Rom, Neapel, Bari und Genua: all diesen Musiktheatern kann - theoretisch jedenfalls - das Kulturministerium helfen. Ein Sondergesetz, das so genannte Legge Bray sieht vor, dass der Staat in Notfällen mit vielen Euromillionen unter die Arme greifen kann, um Schulden abzubauen. Voraussetzung: die Intendanten führen radikale Sparreformen durch.
Eine feine Sache - wenn da nicht die in Italien besonders streitbaren Gewerkschaften wären, die jede noch so kleinste Einsparung mit Streiks zu verhindern suchen. Ein Dilemma, aus dem es nur einen einzigen Ausweg gibt: die Schließung der verschuldeten Opernhäuser, und deren sich anschließende Neugründung - mit neuen Arbeitsverträgen.