Die "Café Sonntag"-Glosse von Gunkl
Humor und Intelligenz
Es gibt im Englischen den Ausdruck "dimwit". Damit wird ein Mensch beschrieben, der - sagen wir mal - also nicht die dickste Kerze am Kandelaber des abendländischen "Denktums" ist, also ein Depp – "dimwit" - gedämpfter Witz.
8. April 2017, 21:58
Witz erfordert Intelligenz. Humor findet nämlich in dem Spalt zwischen "soll" und "ist" statt. Und um ein "Ist" festzustellen, muss der, der das tut, sich schon einmal aus dem Betrachteten herausdenken. Er bringt sich in Distanz zu dem, was er betrachtet. Aber ein "Soll" zu formulieren, ist weitaus schwieriger. Da wird eine Welt - also keine ganze Welt, aber ein Teil der Welt - erfunden. Es werden Forderungen gestellt an die Welt, anders zu sein als sie ist. Das, was ist, ist auf einmal nicht gut, weil es ist, sondern das, was ist, entspricht nicht dem, wie man es sich besser vorstellt. Jetzt steht man also in einer Welt, in der etwas nicht so ist, wie es sein soll. Und oftmals steht man nicht vor der Differenz zwischen "ist" und "soll", sondern man steht genau in dem Spalt. Man hat eine Idee von "Gut" und man ist knietief im "Nicht gut". Und jetzt gibt's verschiedene Möglichkeiten damit umzugehen.
Der Hiob'sche Weg ist furchtbar beschwerlich, stellt intellektuell aber keine besondere Herausforderung dar. Man definiert "nicht gut" in "gut" um, unterstellt eine übergeordnete Instanz, die das auch genau so gewollt hat und ändert an dem, das "ist", nichts, weil es ja "gut" ist. Kann man machen, ist aber wenig lustig. Deshalb ist Religion auch intrinsisch humorlos, weil dem Menschen nicht zugestanden wird, die Differenz zwischen "gut" und "nicht gut" zu beurteilen. Diesen Spalt, diese Differenz verwaltet die Religion. Da hat sie ihr Hoheitsrecht und das lässt sie sich auch nicht nehmen.
Ein anderer Ansatz ist es, den Kampf aufzunehmen und das, was man für gut hält, herzustellen. Da kommt's aber sehr drauf an mit welchem Problem man es zu tun hat. Die Mathematik kennt unbeantwortbare Fragen und das Leben kennt unlösbare Probleme. Die sind als solche nicht immer gleich erkennbar und das ist dann von Fall zu Fall zu eruieren. Den Kampf mit einem unlösbaren Problem aufzunehmen, schaut manchmal gut aus, wirkt recht heldenhaft, ist aber oft einmal blöd. Und am Unmöglichen zu scheitern, ist billig. Den heiligen Gral zu suchen, aber zu Hause das Kaffeehäferl nicht abwaschen, ist billig. Ich finde, da sucht man sich besser Herausforderungen, die auch bewältigbar sind.
Nun gibt's auch die Möglichkeit mit einer "Soll-Ist"- Differenz umzugehen, indem man diesen Spalt betrachtet und darüber einen Befund erstellt, der das, was daran erbärmlich ist, als so lächerlich darstellt, wie es ist: Humor eben.
Humor erfordert Intelligenz. Man muss das "Ist" voll inhaltlich erkennen, man muss ein "Soll" sauber formulieren und man muss besondere Aspekte des "Ist" mit besonderen Aspekten des "Soll" gedanklich nachvollziehbar auf Kollisionskurs bringen. Um das darstellen zu können, erfordert es sauberes Denken. Und um das erkennen zu können, braucht es einen wachen Geist. Humor erfordert also von allen Beteiligten wirklich viel Intelligenz. Durch Humor stellt sich der Mensch über die Welt. Er betrachtet die Welt, wie sie ist, er formuliert, wie sie sein sollte, er erkennt die Differenz dazwischen, und er lässt sich davon nicht in die Knie zwingen, sondern er findet einen Weg, sogar darüber zu lachen. Er emanzipiert sich von den Heilsversprechen derer, die in Anspruch nehmen, Statthalter einer höheren Macht zu sein, die allein die Differenz zwischen "Soll" und "Ist" erklären kann.