Streit um geheime Ermittlungsakten

Eine geplante Verordnung des Justizministers über geheime Ermittlungsakte sorgt für Aufregung unter österreichischen Rechtsanwälten. Sie befürchten, dass die Staatsanwaltschaften künftig jahrelang geheim ermitteln könnten, ohne dass die Öffentlichkeit oder auch die Verdächtigen und ihre Anwälte irgendetwas davon erfahren. Die Folge, sie könnten sich auch nicht verteidigen. Die Justiz dementiert das vehement.

Morgenjournal, 17.10.2014

Wenn - wie im Fall Westenthaler - gegen Politiker oder Prominente ermittelt wird, dann hat die Staatsanwaltschaft oft kein Interesse einem Mediengetöse und will erst einmal in Ruhe ermitteln. Eine geplante Verordnung des Justizministers über die Geheimhaltung von Ermittlungsakten sorgt jetzt aber für Aufregung unter Rechtsanwälten. Sie fürchten, dass die Staatsanwaltschaften künftig jahrelang geheim ermitteln könnten, ohne dass die Öffentlichkeit oder auch die Verdächtigen und ihre Anwälte irgendetwas davon erfahren. Die Folge, sie könnten sich auch nicht verteidigen. Die Justiz dementiert das vehement.

Künftig soll niemand mehr geheime Akten im Müll entdecken und veröffentlichen können. Das ist ein Argument des Justizministeriums für die geplante Verordnung zum Umgang mit Geheimakten. Tatsächlich sind zuletzt Akten der Staatsanwaltschaft Wien ungeschreddert im Müll gefunden worden.

Aber der Verordnungsentwurf von Justizminister Wolfgang Brandstetter schieße weit über das Ziel hinaus, findet der Anwalt Roland Kier, der den Entwurf für die Rechtsanwaltskammer begutachtet hat. Das Zukunfts-Szenario sei: "Es kann sein, dass drei Jahre gegen Sie ermittelt wird. Nach drei Jahren kommt dann einer zu ihnen und sagt: So, wir haben hier ein Paket, sie können sich dazu noch rechtfertigen aber eigentlich ist die Anklage schon fertig. Sie haben in der Zwischenzeit keine Möglichkeit der Akteneinsicht, keine Chance etwas rechtliche aufzugreifen, das falsch gelaufen ist - erst ganz am Schluss, wenn aus Sicht der Staatsanwaltschaft eigentlich alles schon erledigt ist."

Aktenteile konnten schon bisher geheim bleiben - etwa Telefon-Abhörungen oder Einvernahmeprotokolle von Zeugen, die bedroht werden könnten. Künftig kann der ganze Akt unter Verschluss bleiben - und eine mögliche Begründung lautet, dass daran großes öffentliches Interesse bestünde. Anwalt Kier: "Die Konsequenz ist, dass die Öffentlichkeit von so einem Verfahren ausgeschlossen ist, weil auch Sie als Journalist nicht erfahren werden, dass es überhaupt einen Akt gibt, dass zum Beispiel gegen einen Herrn xy, der in der Öffentlichkeit steht, vielleicht sogar ein Politiker ist, ermittelt wird."

Welcher Akt geheim geführt wird, soll der Leiter der zuständigen Staatsanwaltschaft entscheiden - oder die Oberstaatsanwaltschaft oder das Justizministerium. Der Innsbrucker Anwalt Hubert Stanglechner befürchtet sogar eine Menschenrechtswidrigkeit: "So kann meines Erachtens eine Verordnung nicht in Kraft treten. Also zumindest muss eine richterliche Kontrolle vorgesehen werden. Andernfalls ist nicht garantiert, dass man grundrechtskonform davon Gebrauch macht."

Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek bestätigt, dass Medien nichts über Verschlussakten erfahren würden. Aber dass jahrelang völlig geheim ermittelt würde, beruhe auf einem Unverständnis.

Anwalt Kier entgegnet, schon die bisherige Praxis zeige, dass Anwälten oft nicht einmal die Geschäftszahl von Geheimakten mitgeteilt würde. Weil ein Anwalt die Geschäftszahl doch erfahren hatte, habe die Staatsanwaltschaft ihn angezeigt. Dabei könne ein Anwalt ohne Geschäftszahl keine Einsprüche einbringen - außer beim Salzamt, so Kier. Das sei die Realität.