Verwandlung als Programm

Beat Furrer feiert 60. Geburtstag

Ohne ihn, so viel steht fest, würde die hiesige Musiklandschaft anders aussehen. Das Klangforum Wien - ohne ihn wäre es nie entstanden. Präsenz zeitgenössischer Klänge in den Konzerthäusern - um sie wäre es wohl wesentlich schlechter bestellt.

Wo er auch hinkam, gab er seiner Umgebung so manchen "Impuls" - so auch der Name einer Grazer Initiative für Neue Musik, bei deren Entstehen Beat Furrer ebenfalls tatkräftig mitwirkte. Natürlich gibt es bei alldem wichtige Mitstreiter, aber der 1954 geborene Schweizer hat, seit er 1975 nach Wien kam, derart viele künstlerische und organisatorische Akzente gesetzt, dass der Publizist Heinz Rögl in ihm "eine normative Kraft des österreichischen Musiklebens" sah, gar von einem "System Furrer" schrieb.

Wer heute im Ausland unterwegs ist, hört beim Stichwort zeitgenössische Österreichische Komponisten nur wenige Namen. Beat Furrer ist meistens dabei. Seit er vor drei Jahrzehnten mit seinem genialen ersten Streichquartett den Kompositionswettbewerb "Junge Generation in Europa" für sich entschied, bei dem die Koryphäen Luigi Nono, Klaus Huber und Helmut Lachenmann in der Jury saßen, eroberte er nach und nach die wichtigsten Podien für Neue Musik.

"Komponist des Leisen"

Schon in einer der ersten Ausgaben des Festivals Wien Modern war ihm nicht nur ein Porträt gewidmet - auch seine erste Oper "Die Blinden" kam in diesem Rahmen zur Uraufführung. Besonders in seiner frühen Zeit war Beat Furrer ein "Komponist des Leisen", Schöpfer ungeheuer spannungsreicher, dabei aber zurückhaltender Partituren. Im Gegensatz zu manch anderen "Pianissimo-Werken" ist seine Musik aber stets von gedrängter Energie, und die Möglichkeit zum Ausbruch schwingt jederzeit mit, bis sich die aufgestaute Spannung wie eine Naturgewalt Bahn bricht.

Das erwähnte erste Streichquartett ist ein Beispiel dafür, dass einander wilde, ungehemmte Energie und zeitlupenartig tastende, filigrane Klangflachen gegenüberstehen. Doch bleibt es nicht beim simplen Kontrast, sondern die Sphären nähern sich an, beginnen sich zu verwandeln - und schließlich ihre Rollen zu tauschen.

Metamorphosen des Klanglichen

Es ist nicht zu viel gesagt, dass die Idee der Verwandlung von Anfang an das Zentrum von Furrers ästhetischem Programm darstellt. Über die Jahre hat sich seine Musiksprache weiter verfeinert - durch die kreative Anverwandlung der "offenen Form" seines Lehrers Roman Haubenstock-Ramati, durch produktive Auseinandersetzung mit der Musik von Nono, Lachenmann oder Salvatore Sciarrino, aber auch durch einen beständigen Blick auf die ältere Musikgeschichte.

Auch als Dirigent nahm sich Furrer nicht nur seiner eigenen Werke an, auch wenn dies immer deutlich im Vordergrund stand, sei es mit dem Klangforum oder anderen Ensembles und Orchestern. Der menschlichen Stimme kommt ebenfalls von Anfang an eine zentrale Rolle in Furrers Oeuvre zu - und so ist es nur folgerichtig, dass sich seine Arbeiten für das Musiktheater mehr und mehr zum Mittelpunkt seines Schaffens entwickelten.

Ein Schlüsselwerk war diesbezüglich "Narcissus" nach den "Metamorphosen" von Ovid. Hier fand der Komponist durch die Auseinandersetzung mit Grundproblemen menschlicher Kommunikation zu einer nochmals gesteigerten atmosphärischen Dichte seiner Musik. Ebenso entwickelte er etwas, das man eine Ästhetik des Fragmentarischen nennen könnte. Bruchstückhaft artikulieren sich die Figuren in diesem Werk, ebenso wie in den folgenden, von Begehren und Invocation bis zu Fama, während die Sprache selbst zu Musik wird.

Großer Österreichischer Staatspreis

Über lange Jahre ist Ovid ein zentraler Bezugspunkt für Beat Furrer geblieben, nicht nur in der Beschäftigung mit konkreten Textteilen, sondern vor allem hinsichtlich kompositorischer Reaktionen auf Inhalte seines Versepos: Metamorphosen des Klanglichen bilden die vielleicht wichtigste Idee der Partituren des Komponisten, der wenige Tage vor seinem 60. Geburtstag am 6. Dezember den Großen Österreichischen Staatspreis erhält.

Seine Berühmtheit hat indessen in seiner Persönlichkeit kaum Spuren hinterlassen - außer vielleicht, dass er selbstkritischer denn je an der Erkundung neuer Klänge arbeitet. Das war zuletzt in seinem Musiktheater "Wüstenbuch" zu erleben, und wohl auch für die Zukunft darf man noch eine Reihe klanglicher Verwandlungen und Überraschungen erwarten.

(Daniel Ender)