von Bea Sommersguter

(Un-)Wörter des Jahres

Wenn sich das Jahr zu Ende neigt, haben sie Hochsaison: die Jahresrückblicke. Über eine Art sprachlichen Jahresrückblick berichtet Bea Sommersguter.

Stadtmodell

Das Stadtmodell Hypotopia ist im Rennen um das Wort des Jahres.

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Das Wort des Jahres

Oft ist es nur ein Schlagwort, das die Erinnerung an ein ganzes Jahr prägt. 1986 war es Tschernobyl, 1987 Aids, 1989 Reisefreiheit.

Seit über 30 Jahren wählt die Gesellschaft für Deutsche Sprache in Wiesbaden Wörter und Wendungen, die das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben eines Jahres bestimmt haben. Diese Wörter müssen den sprachlichen Nerv treffen und Rückschlüsse auf die Stimmung in der Gesellschaft zulassen, heißt es. Und sie sind ein Gradmesser dafür, was die Medienlandschaft in den vergangenen 12 Monaten umgetrieben hat.

Seit 15 Jahren wählt Österreich sein eigenes Wort, unabhängig von den Deutschen. Damals, 1999, machte der Begriff „Sondierungsgespräche“ das Rennen. In den Jahren darauf folgten: „Sanktionen“, das „Nulldefizit“ und der „Teuro“.

Letztes Jahr stand das Wort „Frankschämen“ an der Spitze. Frei nach Partei-Neugründer Frank Stronach und dessen Eskapaden bei öffentlichen Auftritten vor der Nationalratswahl 2013.

Der Gewinner für das heurige Jahr steht noch nicht fest. Aber die Kandidatenliste, die ist schon fix. „Hypotopia“ ist einer der zur Wahl stehenden Begriffe: der Name jener Modellstadt, die von Wiener Studenten gebaut wurde, um begreifbar zu machen, was man mit jenen Milliarden Euro schaffen hätte können, die der österreichische Staat stattdessen für die Pleitebank Hypo-Alpe-Adria ausgegeben hat.

Ebenfalls unter den Favoriten für das Wort des Jahres 2014: Genderwahn, Kellernazi, Rachemaut, Datenproletariat, Abfalljäger oder Wörter boarding. Letzteres eine unheilvolle Verbindung der Foltermethode Water Boarding und dem Wortschwall, mit dem Politiker so gern ihr Publikum quälen.

Mein Favorit ist aber der Begriff „situationselastisch“. Eine Wortschöpfung von Verteidigungsminister Gerald Klug. Der meinte nämlich, dass sich das Erscheinen von Bundeskanzler Faymann im Pressefoyer nach dem Ministerrat künftig eben situationselastisch entwickeln werde. Sprich: er kommt dann, wenn es ihm passt.

Manche dieser Anwärter für das Wort des Jahres würden auch in eine andere Rubrik passen. In die der Un-Wörter nämlich.

Das Un-Wort des Jahres

Ihre Wahl soll zu mehr Sprachbewusstsein führen und den Blick auf besonders unsensible Sprachschöpfungen lenken. Jetzt finden sich auf dieser Unwort-Liste unter anderem die Begriffe Putinversteher , Demonstrationssöldner oder die Grüninnen, mit dem die gender-sensible Sprachregelung der Grünpartei durch den Kakao gezogen wird. Die größten Gewinnchancen hat laut einer Ö3-Umfrage das Wort Negerkonglomerat. Ein Ausdruck des ehemaligen FPÖ-Spitzenkandidaten bei der Europawahl 2014, Andreas Mölzer.

Die FPÖ machte indirekt schon letztes Jahr das Rennen in der Kategorie Unwort. Da wurde der von der Partei damals gerne verwendete Begriff inländerfreundlich zum Sieger gekürt - ein verkapptes Synonym für „ausländerfeindlich“, befand damals die Jury.

Die Jury, das sind sieben Fachleute der Grazer Karl-Franzens-Universität und der APA- der Austria Presse Agentur. Sie wählten vor zwei Wochen nach eigenen Recherchen und Vorschlägen, die man online einreichen konnte, jeweils zehn Kandidatenwörter in den Kategorien Wort, Unwort und Jugendwort. Außerdem jeweils fünf Kandidaten für den "Spruch“ und den „Unspruch“ des Jahres.

Mitmachen

Noch zwei Wochen lang, bis Ende November, können Sie online mitstimmen. Die Gewinner werden in der ersten Dezember-Woche bekannt gegeben.

Service

oewort - Das österreichische Wort des Jahres