Holocaust-Drama "Phoenix"

Kann man den Holocaust in eine Kriminalhandlung verpacken? Ja, wenn es nach dem deutschen Regisseur Christian Petzold geht. Er hält das für eine durchaus produktive Form, die deutsche Geschichte zu betrachten. "Phoenix" heißt sein neuer Film, in dem eine Jüdin aus dem KZ zurückkommt und von ihrem Mann nicht mehr erkannt wird. Die Hauptrolle spielt Petzolds Lieblingsschauspielerin Nina Hoss.

Johnny (Ronald Zehrfeld) und Nelly (Nina Hoss)

Johnny (Ronald Zehrfeld) und Nelly (Nina Hoss)

CHRISTIAN SCHULZ

Mittagsjournal, 3.12.2014

Eigentlich will Nelly (Nina Hoss) nur wieder zurück in ihr altes Leben. Gerade erst ist sie nach Berlin zurückgekommen, gerade erst hat ihr ein Chirurg das im KZ ramponierte Gesicht repariert. Aussehen wie zuvor wollte sie, gelungen ist das aber nicht ganz. Ohnehin hat Nelly nur einen Gedanken: "Wo ist Johnny?" Johnny (Ronald Zehrfeld) war ihr Mann, bevor Nelly deportiert wurde. Schon bald findet sie ihn in den Trümmern Berlins. Johnny erkennt Nelly nicht wieder, aber eine Ähnlichkeit, die er sich für das finanzielle Erbe seiner Frau zunutze machen will. Nelly soll seine Frau "spielen", um an das Geld heranzukommen.

Eine Geschichte von Verlust

Es ist ein perfides Spiel, hauptsächlich in einem engen Kellerraum, in dem ein Dressurakt stattfindet, ein Akt, der aus Nelly ihre eigene Doppelgängerin macht und der ihr Trauma wiederholt. Doch Nelly spielt das Spiel mit, aus Liebe, aus Verzweiflung und aus Hoffnung. "Phoenix" ist eine Geschichte von Verlust im umfassenden Sinn, von Gesicht und Identität, von Liebe und Heimat, von Vertrauen und Moral. Nelly ist eines jener für Christian Petzold typischen Gespensterwesen, anwesend und abwesend zugleich, nicht tot aber auch nicht bereit fürs Leben, gefangen in den eigenen Zwängen und getrieben vom Glauben, dass doch alles wieder gut werden kann.

Hitchcocks "Vertigo"

"Phoenix" beruht auf dem Roman "Der Asche entstiegen" des Franzosen Hubert Monteilhet aus dem Jahr 1961 und erinnert nicht zuletzt in seiner kriminalistischen Finesse an Hitchcocks "Vertigo". Christian Petzold filmt mit seinem Noir aber auch gegen ein Defizit der deutschen Filmgeschichte an: "Das Kino soll ja in Krisenzeiten Fragen nach Herkunft und Identität stellen, so wie das zum Beispiel der italienische Neorealismus gemacht hat. Im deutschen Nachkriegsfilm fand das aber so gut wie nicht statt."

Vielschichtige Schuld

Die Versuchsanordnung in "Phoenix" ist etwas artifiziell geraten, der der Glaubwürdigkeit schadet das allerdings nicht: denn Petzold erzählt vor allem vom Holocaust, ohne ihn mit den längst bekannten Bildern zu strapazieren, und er erzählt davon, wie vielschichtig sich Schuld und Sühne im Verdrängen verzweigen können. Nur so viel ist gewiss: Beim Erkennen führt am Wollen kein Weg vorbei.

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