Eine Geschichte der Koch- und Esswerkzeuge

Am Beispiel der Gabel

Immer mehr Menschen rühmen sich damit, profunde Produktkenner und Kochspezialisten zu sein, die "Hardware" der Küchen führt jedoch im Gegensatz dazu ein relatives Schattendasein. Mit ihrem Buch "Am Beispiel der Gabel" will die britische Food-Historikerin Bee Wilson diesen Wissensmangel beenden. Sie erzählt die abwechslungsreiche und immer wieder kuriose Geschichte der Koch- und Esswerkzeuge.

Küchengeräte vereinfachen nicht nur die Herstellung oder erhöhen den Genuss von Speisen, sie können auch zur Überlebensfrage werden. Zumindest vor dem Aufkommen von Kochtöpfen vor ungefähr 10.000 Jahren war das so. Knochenfunde belegen, dass offenbar niemand nach dem Verlust sämtlicher Zähne bis ins Erwachsenenalter überlebte. Wer nicht mehr kauen konnte, musste verhungern. Erst das Töpfern ermöglichte unseren Vorfahren die Zubereitung von breiartigen Speisen. Ausgewachsene Skelette ohne einen einzigen Zahn sind der Beweis des Fortschritts.

Es gibt Werkzeuge, die seit ihrer Erfindung vor tausenden Jahren mehr oder weniger unverändert eingesetzt werden, wie etwa Mörser und Stößel zum Mahlen. Und es gibt Geräte, die sich weltweit durchgesetzt haben, wie der Löffel und die Mikrowelle. Vorgestellt werden aber auch solche, die stark an einen bestimmten Ort gebunden sind, wie der "Dolsot". In diesem zischend heißen Steintopf servieren Koreaner "Bibimbap", eine beliebte Mischung aus Klebreis, dünn geschnittenem Gemüse und rohem oder gebratenem Ei.

Spiel mit dem Feuer

Die Geschichte der Kochwerkzeuge zeigt, dass neue Technologien immer auch Kompromiss bedeuten: Man gewinnt etwas dazu, verliert aber auch etwas. Oft büßt man dabei Wissen ein, so die Autorin Bee Wilson:

Viele Tausende Jahre lang war Kochen vor allem ein stickiges, rauchiges, gefährliches Spiel mit dem Feuer auf extrem engem Raum. Für große Teile der Weltbevölkerung ist es das heute noch. Der WHO zufolge sterben in Entwicklungsländern jährlich eineinhalb Millionen Menschen an Rauchgasvergiftungen, hauptsächlich aufgrund von Küchenfeuern in Innenräumen. In reichen Haushalten waren professionelle Köche bis ins 17. Jahrhundert fast ausschließlich Männer, die wegen der glühenden Hitze oft nackt oder lediglich in Unterwäsche bekleidet arbeiteten. Frauen waren wegen ihrer bauschigen Röcke und herunterhängenden Ärmeln zu sehr gefährdet und eher in Milchkammern und Spülküchen zu finden.

Die Evolution der Küchengeräte

Die Entwicklung von Küchengeräten hat zwei erstaunliche Aspekte: Einerseits ist eine lang anhaltende technologische Stagnation zu bemerken. Viele Jahrhunderte lang bestand einfach geringes Interesse daran, die Mühsal in der Küche zu mindern, da man dafür schließlich Personal beschäftigte.

Andererseits haben moderne Küchengeräte sogar unsere Körper verändert. Wilson serviert hier verblüffende Studienergebnisse: Japanische Wissenschaftler verfütterten an Ratten Futterpellets mit dem gleichen Nährwert und Kaloriengehalt, aber unterschiedlichem Härtegrad. Nach 22 Wochen wurden die mit der weichen Kost ernährten Ratten deutlich fettleibiger als die andere Gruppe.

Kuriose Anekdoten

Das Beste an Wilsons Kulturgeschichte sind allerdings die zahlreichen Anekdoten. Kardinal Richelieu soll angesichts eines Gastes, der sich mit einem scharfen Messer Essensreste aus den Zähnen stocherte, dermaßen angewidert gewesen sein, dass er befahl, fürderhin bei Tisch nur noch stumpfe Messer zuzulassen. Eine Entscheidung, die weitreichende Folgen für das Tafelbesteck und die Tischsitten in ganz Europa hatte.

Die erste historisch belegte "echte" Gabel war zweizinkig und aus Gold und wurde von einer byzantinischen Prinzessin im 11. Jahrhundert verwendet. Aus kirchlichen Kreisen wurde sie für diese "sündhafte Verweichlichung" verurteilt, weil sie das exklusive Gerät gegenüber ihren von Gott gegebenen Händen bevorzugte. Ihr späterer Tod durch die Pest wurde als gerechte Strafe interpretiert.

Aus der Zeit nach dem englischen Bürgerkrieg gibt es ein Löffel-Kuriosum zu berichten:

Bee Wilson untersucht den Einfluss, den Küchengeräte auf das haben, was wir essen, wie wir essen und was wir von unserem Essen halten auf überaus detailreiche und selten abwechslungsarme Weise. Im Grunde ist ihr Buch aber eine Geschichte der Technik, das anschaulich zeigt, wie sehr diese von verfügbaren Materialien und zugänglichem Wissen abhängig war und immer noch ist.

Service

Bee Wilson, "Am Beispiel der Gabel - Eine Geschichte der Koch- und Esswerkzeuge", aus dem Englischen von Laura Su Bischoff, Insel Verlag