Tagebuch eines Guantanamo-Häftlings

Mohamedou Ould Slahi sitzt seit 13 Jahren in Guantanamo. Sein "Guantanamo Diary" wurde nun in London präsentiert. Es ist das erste Zeugnis eines Guantanamo-Insassen, das die US-Behörde - stark zensiert - zur Veröffentlichung freigegeben hat.

Er ist in den Augen der USA ein Top-Terrorist, ein führendes Mitglied von Al Kaida: Der Mauretanier Mohamedou Ould Slahi soll geholfen haben, die Todespiloten des 11. September anzuwerben. Slahi wurde nie angeklagt und vor Gericht gestellt. Sämtliche Versuche, ihn wieder in Freiheit zu bringen, sind gescheitert.

Nach einem jahrzehntelangen Rechtsstreit ist es seinen Anwälten gelungen, ein Manuskript zu veröffentlichen, das der gelernte Elektrotechniker in der Haft geschrieben hat.

Morgenjournal, 21.1.2015

Aus London,

Die Polizei verhört Mohamedou Ould Slahi im November 2001 in Mauretanien. Er bittet seine Mutter etwas vom Abendessen für ihn aufzubewahren. Sie sieht ihren Sohn nie wieder. Der gelernte Elektrotechniker wird nach Jordanien verschleppt, wo er sieben Monate vom Geheimdienst verhört wird. Dann wird er nackt und in Ketten nach Bagram in Afghanistan geflogen, schließlich weiter nach Guantánamo. Dort sitzt er seit August 2002 ohne Anklage.

Mohamedou schreibt 2005 in Haft ein Manuskript. Er schildert detailliert Foltermethoden, sexuelle Erniedrigungen, Schlafentzug, stundenlanges Verharren in schmerzhaften Positionen aber auch seine Beziehung zu den Wächtern, Momente der Menschlichkeit und sein Bedürfnis nach Versöhnung mit seinen Peinigern. Es ist kein zorniges Buch, sagt Lektor Larry Siems. Jeder der mit Mohamedou zu tun hatte, ist berührt wie unaufgeregt, menschlich und versöhnlich das Buch ist.

Autor John Le Carré bezeichnet Mohamedous Zeugnis seiner Inhaftierung als "Vision der Hölle, jenseits von Kafka und Orwell". Verleger Jamie Bing lobt die schriftstellerischen Fähigkeiten des Mauretaniers.

Ein nie nachgewiesener Vorwurf

Mohamedou ist hochintelligent, er spricht vier Sprachen, das Buch hat er auf Englisch geschrieben; es ist die Sprache seiner Wächter, die er erst in Guantanamo lernte. 2010 wird Mohamedous Freilassung von einem US-Gericht angeordnet. Die Obama-Regierung, die mit dem Versprechen angetreten war, Guantánamo zu schließen, legt Berufung ein. Der Fall ist anhängig. Es gibt nur einen einzigen Vorwurf gegen Mohamedou: Er habe als Al Kaida Mitglied in den 1990er Jahren an der Seite der Mujahedin in Afghanistan gegen das kommunistische Regime gekämpft, sagt seine Anwältin Nancy Hollander. Und selbst dies habe man ihm nie nachweisen können.

Die USA haben in dem damaligen Krieg die Mujahedin unterstützt. Mit der Al Kaida und ihren Anschlägen gegen den Westen hatte Mohamedou nie etwas zu tun, sind seine Unterstützer überzeugt. Das stark zensierte Buch soll nun auch eine neue Kampagne für die Freilassung des Mauretaniers in Bewegung bringen, sein Bruder Yahdih sagt, die Veröffentlichung habe Mohamedou neue Hoffnung schöpfen lassen.

Mohamedou soll eines Tages die Möglichkeit haben, das Buch als freier Autor in vollem Umfang zu publizieren, seine Unterstützer geben nicht auf, sie sagen seine Unschuld treibt sie an.

Service

New York Times - "Guantánamo Diary", by Mohamedou Ould Slahi
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