Zerstörung in Slawjansk: "Mir hilft keiner."

Im Krieg in der Ostukraine sind laut UNO mehr als 5.000 Menschen ums Leben gekommen. Und der Konflikt droht nun erneut zu eskalieren. Die prorussischen Rebellen haben eine Offensive angekündigt. Die Ukraine hat zehntausende Reservisten einberufen. Unter den Leidtragenden ist von Beginn an vor allem die Zivilbevölkerung - so wie in Slawjansk, wo im Juli die Kämpfe begonnen haben.

Mittagsjournal, 24.1.2015

"Bombe hat alles zerstört"

Militärführer würden es wohl einen "Kollateralschaden" nennen, dass die Frau von Vasili Vasiliewich nicht mehr am Leben ist. Schutt liegt dort, wo seine und ihre Wohnung war. In dem Wohnblock in Nikolajewka bei Slawjansk klafft eine riesige Lücke. Eine Bombe hat am 3. Juli etwa zehn Wohnungen zerstört und 11 Menschen getötet, sagt Vasili: "Sie haben meine Frau am 11. Juli, nach acht Tagen ausgegraben, erdrückt im Stiegenhaus, wo die Zerstörung am größten war."
Der 58-jährige Frühpensionist Vasili lebt jetzt in einem Notquartier in einem Sechs-Quadratmeter-Zimmer, mehr kann er sich nicht leisten. Er hat alles verloren.

Im Wohnhaus gegenüber hat die Pensionistin Zoe eine Wohnung, auch hier ein Kollateralschaden: "Da ist die Bombe in die Küche hereingeflogen und hat alles zerstört. Man hat mir zwar geholfen, neue Wände aufgestellt und die Fenster ausgetauscht. Aber ich hab keine Küche, keine Einrichtung. Ich kann hier nicht wohnen und jetzt hilft mir keiner mehr." Die Frau lebt von nur 65 Euro Monatspension. Die neuen Fenster sind von der Caritas - sie hat insgesamt rund 1.000 zerstörte Fenster im Raum Slawjansk ersetzt.

Viele Kinder sind traumatisiert

Hilfe auch durch evangelikale und von ausländischen Staaten unterstützte Hilfsorganisationen kommt an, aber oft reicht sie nicht aus. Caritas-Präsident Michael Landau bei seinem Ostukraine-Besuch diese Woche: "Die aktuelle Krise erschüttert ein Land, das seit Jahren am sozialen Abgrund steht."

Betroffen ist auch der elf Monate alte Kyrill. Seine Familie ist geflohen aus der bis heute umkämpften und teils zerstörten Stadt Horliwka im Raum Donezk. Jetzt wohnt sie in einer winzigen Wohnung im von den Ukrainern zurückeroberten Slawjansk. Der zweite 9 Jahre alte Sohn ist traumatisiert, sagt Julia, seine Mutter: "Der Große hat die Kämpfe voll mitbekommen. Jetzt sieht er den Krieg oft im Fernsehen. Die Kinder haben Ängste, vor allem in der Nacht und sie beten, dass nicht wieder geschossen wird."

Kein Gefühl von Frieden

Die Familie ist froh, jetzt im mittlerweile ruhigen Slawjansk zu wohnen. Ihr Sohn kann hier die Schule besuchen. Aber die Mutter sagt, "wir leben von Almosen, von der Kinderbeihilfe und einer einmaligen 300 Dollar Zahlung der amerikanischen Caritas." Arbeit zu finden, sei schwer: "Nein, nein. Das ist sehr schwierig. Die Firmen sagen, Sie sind aus dem Raum Donezk. Das ist riskant. Sie bleiben ja vielleicht nur drei Monate und gehen dann wieder zurück nach Hause."

Und auch wenn die Reparatur von beschädigten Gebäuden in Slawjansk voranschreitet, gibt es doch kein Gefühl vom Frieden nach dem Krieg, sagt Juri Nakonechnyy, Leiter der Caritas Nothilfe Ostukraine: "Es werden ja immer mehr junge Männer in die Armee eingezogen. Es gibt schon die dritte Phase der Mobilisierung."

Warum dieser Krieg geführt wird, das verstehen viele aber nicht. Vasili Vasiliewich Bombenopfer und Witwer sagt: "Wir haben nicht einmal gesehen, ob es die ukrainische Armee oder die Separatisten, die Terroristen, waren, die die Bombe auf unser Haus fallen gelassen haben. Man kann das alles nicht erklären und vor kurzem noch hätte sich niemand vorstellen können, dass hier gekämpft wird."