Chemiker und Autor Carl Djerassi gestorben

Er galt als "Mutter der Pille", wurde als Chemiker vielfach ausgezeichnet und hat sich auch als Autor einen Namen gemacht: Der in Wien geborene Wissenschafter Carl Djerassi ist tot.

Er erlag in der Nacht von Freitag auf Samstag in San Francisco einem Krebsleiden, wie Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder der APA am Samstag mitteilte. Djerassi wurde 91 Jahre alt.

Carl Djerassi

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Von Wien über Bulgarien in die USA

Djerassi wurde am 29. Oktober 1923 als Sohn eines bulgarischen Vaters und einer österreichischen Mutter, die für die Heirat die bulgarische Staatsbürgerschaft annehmen musste, in eine jüdische Familie in Wien geboren - als bulgarischer Staatsbürger. Seine frühe Kindheit verbrachte Djerassi in Bulgarien. Als die Eltern sich scheiden ließen, zog er mit seiner Mutter nach Wien. Sie bekam die österreichische Staatsbürgerschaft wieder, für den Sohn wurde dies jedoch nicht genehmigt. Erst 2004 wurde Djerassi "im Republiksinteresse" Österreicher - unter Beibehaltung der US-Staatsbürgerschaft, die er nach seiner Flucht nach Amerika erhalten hatte.

"Als Chemiker bin ich Amerikaner. Kulturell ist das eine ganz andere Sache", meinte Djerassi einmal. Seine künstlerische Entfaltung als Autor ab 1985 sah er damals als "Stempel, den meine Kindheit in Wien in mir hinterlassen hat. Der hat sich sehr spät ausgewirkt".

Karriere als Chemiker

Nach seiner Emigration in die USA 1939 ermöglichten Pflegeeltern Djerassi den Besuch einer High School in Newark und der University of Wisconsin, wo er im Alter von 21 Jahren in organischer Chemie promovierte. Zunächst arbeitete er in der Industrieforschung. Weltweiten Ruhm brachten ihm zwei Entdeckungen ein: die Synthetisierung des Hormons Cortison, wodurch dessen Massenproduktion möglich wurde, und 1951 die Synthetisierung des Schwangerschaftshormons Gestagen, die er zusammen mit den Bostoner Pharmakologen Gregory Pincus und John Rock als Grundlage der Antibabypille entwickelte - eine Bezeichnung, die Djerassi selbst ablehnte, weil er die oral einzunehmende Verhütungspille nicht gegen Babys gerichtet verstand, sondern für die Frau.

Im Jahr 1952 nahm Djerassi seine akademische Lehrtätigkeit an der Wayne State University in Detroit auf. 1959 wechselte er an die Stanford University in Kalifornien, an der er 2002 emeritierte. Seine Arbeitsschwerpunkte als Forscher bildeten Empfängnis, Reproduktionsmedizin und ihre Folgen für die Familie.

Nach Wien kehrte Djerassi nach eigenen Angaben erstmals in den 1950er Jahren zu einem biochemischen Kongress zurück. "Für Emigranten war Rückkehr immer eine Mischung von süß und bitter." Mit zunehmendem Alter "wird es immer süßer", meinte er damals. In den letzten Jahren war Djerassi häufig in Wien, wo er auch einen Wohnsitz hatte.

Science in Fiction

Als Autor schrieb Djerassi zunächst Gedichte und Kurzgeschichten, bevor er sich in "Cantors Dilemma", "Das Bourbaki Gambit", "Menachems Same" und "NO" dann der von ihm erfundenen Romangattung "Science in Fiction" widmete. Seit 1997 konzentriert sich Djerassi auf das Schreiben von Theaterstücken, die er unter dem Begriff "Science in Theatre" zusammenfasst.

Das erste Stück "An Immaculate Misconception" ("Unbefleckt"), das sich mit Entwicklungen im Bereich künstliche Reproduktion beschäftigt, wurde 1998 beim Edinburgh Fringe Festival uraufgeführt. Sein bisher letztes Stück "Killerblumen" hatte 2012 in London Premiere. Djerassis Werke werden immer wieder auch in Österreich gespielt, etwa in Graz oder St. Pölten, der Sprung an eine große Wiener Bühne blieb ihm aber verwehrt.

Als Kunstsammler besaß Djerassi mit über 150 Werken eine der größten Paul-Klee-Privatsammlungen, die er zur Hälfte dem Museum of Modern Art in San Francisco und der Albertina vermacht hatte. Weiteres begründete er die Djerassi-Stiftung, eine Künstlerkolonie in der Nähe von San Francisco, und initiierte das "Djerassi Resident Artist Program" zur Förderung von Malern, Musikern, Schriftstellern und Bildhauern.

Djerassi erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter die "National Medal of Science" und den ersten "Wolf Price in Chemistry". Er wurde in die "National Inventors Hall of Fame" aufgenommen, ist Mitglied der American Academy of Arts and Sciences sowie Ehrenmitglied der britischen Royal Society of Chemistry. 1999 wurde ihm das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst und 2008 das Große silberne Ehernzeichen für Verdienste um die Republik Österreich verliehen. Im Jahr 2005 wurde in Österreich eine Briefmarke mit Djerassis Bild herausgegeben.

Ö1 widmete Djerassi zuletzt im Oktober 2013 zu dessen 90. Geburtstag einen Sendungsschwerpunkt.

Service

In memoriam Carl Djerassi wiederholt Ö1 folgende Sendungen:

So, 1. Februar 2015, 14:10 Uhr, "Menschenbilder"

Di, 3. Februar 2015, 21:00 Uhr, "Vier Juden auf dem Parnass", Hörspiel-Studio