Von Julian Barnes

Lebensstufen

In den achtziger und neunziger Jahren würfelte Julian Barnes Fiktives, Essayistisches und Enzyklopädisches ebenso durcheinander wie Biografie, Krimi, Melodram und Satire. Seit dem Tod seiner Frau, der Literaturagentin Pat Kavanagh, im Jahr 2008, ist seine Prosa reduzierter und formal einheitlicher. Auch die Themen sind überschaubar geworden: Alter, Tod, Einsamkeit, Liebe. Barnes' neues Buch beinhaltet drei Erzählungen.

Julian Barnes bringt in "Lebensstufen" drei Persönlichkeiten der frühen Aeronautik auf die Bühne, um die sich so manche Legende rankt. Colonel Fred Burnaby war ein britischer Militär, Weltreisender und Autor, den die Leidenschaft zum Ballonfahren gepackt hatte. Der Franzose Félix Tournachon war ein Freigeist durch und durch: Er war der Erste, der von einem Ballon aus Fotoaufnahmen von umliegenden Gegenden machte. Zu seiner Klientel gehörten auch berühmte Künstler, unter ihnen die Legenden umwobene Schauspielerin Sarah Bernhardt. Sie ist die Dritte im Bunde von Barnes' Ballonfahrern.

Der Prosaband besteht aus drei Erzählungen, die miteinander in Verbindung stehen. In "Die Sünde der Höhe" werden die historischen Anfänge der Ballonfahrt geschildert. In "Auf ebenen Bahnen" erzählt Barnes die Liebesgeschichte zwischen Sarah Bernhardt und Colonel Fred Burnaby. War das Liebesverhältnis ein Spiel literarischer Fiktion, so schlägt in der dritten Erzählung die Realität mit ganzer Härte zu: Barnes' geliebte Frau starb im Oktober 2008. Was soll man sagen, was schreiben? Vielleicht dass mit dem Tod eines geliebten Menschen die "Höhenflüge" aufhören.

Diese Sätze, diesen Gedanken, findet man in Variationen in allen drei Erzählungen. Wenn man zwei Menschen zusammenbringt, dann kann ein Abenteuer reifen, das als Aeronautik die "Flugwissenschaft" vorantreibt oder aber einfach die Liebe feiert. Allerdings gilt auch: Gewisse "Lebenstufen" muss man allein gehen. Doch in der Erinnerung geht man weiterhin zu zweit, nicht hinunter, fallend, sondern hinauf, in die luftigen Höhen der Erinnerung. Julian Barnes hat in "Lebensstufen" diesen Weg meisterlich beschrieben.

Service

Julian Barnes, "Lebensstufen", aus dem Englischen von Gertraude Krueger, Kiepenheuer & Witsch Verlag