"Randnotizen" von Bea Sommersguter

Statistiken

"Es gibt drei Sorten von Lügen: Lügen, gemeine Lügen und Statistiken." Ein Zitat, das gerne dem amerikanischen Autor und Humoristen Mark Twain zugeschrieben wird. Statistiken hatten eben nie einen guten Ruf. Auch Theodore Roosevelt, Zeitgenosse von Mark Twain und Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, soll gelästert haben: laut Statistik hätten ein Millionär und ein armer Kerl gleich viel Geld, jeder eben eine halbe Million.

Es stimmt schon: die Berechnung des arithmetischen Mittels ist nicht immer sinnvoll. Das wusste auch der einstige bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß, dem wir ein weiteres anschauliches Zitat zum Thema verdanken: Wenn zwei Männer im Wirtshaus sitzen, sagte er, und der eine verdrückt eine ganze Kalbshaxe, der andere trinkt zwei Maß Bier, dann hat - statistisch gesehen - jeder ein Bier und eine halbe Haxe intus. In Wirklichkeit hat sich der eine überfressen, der andere ist besoffen.

"Der Flughafen BER ist zu 98 Prozent fertig" war im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" zu lesen. Zitiert wurde der zurückgetretene Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit, der einmal mehr über die Fertigstellung des neuen Großflughafens Berlin Brandenburg spekulierte. Die peinlichste Baustelle Deutschlands, denn der geplante Eröffnungstermin liegt schon Jahre zurück. Aber jetzt, erfahren wir, ist er ja so gut wie fertig, der Flughafen. Zu 98 Prozent jedenfalls.

"Aber 98 Prozent von was?" fragten sich drei Wissenschaftler, der Psychologe Gerd Gigerenzer, der Statistiker Walter Krämer und der Ökonom Thomas Bauer. Worauf also beziehen sich die 98 Prozent, von denen Klaus Wowereit gesprochen hat? Auf den Zeitraum bis zum Eröffnungstermin des Flughafens? Auf die Geldsumme, die er bis zur Fertigstellung noch verschlingen wird? Auf das Flughafengebäude, das bereits vor seiner Eröffnung als zu klein dimensioniert gilt? Oder hat da ein Politiker schlichtweg versucht, eine Katastrophe kleinzureden?

Auch dem Journalismus wird eine gewisse Leidenschaft nachgesagt, mittels Statistik ein wenig nachzuhelfen, um - na sagen wir - zur passenden Aussage zu kommen. Plakative Meldungen schaffen es eben leichter in die Schlagzeilen. "Es gab eine Meldung, dass die Anzahl der tödlichen Haiunfälle in diesem Jahr um 100 Prozent gestiegen ist. Da fragen Sie sich ob sie Kinder noch ins Wasser lassen oder selber surfen", bringt Gerd Gigerenzer ein Beispiel aus seinem gemeinsam mit Walter Krämer und Thomas Bauer verfassten Buch "Warum dick nicht doof macht und Genmais nicht tötet: Über Risiken und Nebenwirkungen der Unstatistik".

"Die wirklichen Zahlen waren, dass im Jahr zuvor weltweit sechs Menschen bei Haiunfällen starben, im letzten Jahr zwölf", sagt Gerd Gigerenzer. "Umso viel weniger als Menschen, die von Blick erschlagen wurden. Viele Menschen reagieren auf solche Meldungen mit Angst und überlegen sich gar nicht, dass das wirkliche Risiko ist, wenn sie mit dem Auto zum Strand fahren."

Da fällt mir noch ein Zitat ein: Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Ein Spruch, der häufig Winston Churchill zugeschrieben wird, wahrscheinlich aber von Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels stammt, der damit den britischen Staatsmann als Lügner hinzustellen versuchte.

Trau keiner Statistik, die du nicht selbst verstehst - so lautet dagegen der Leitspruch von Gerd Gigerenzer. Wir sind statistische Analphabeten und durchschauen meist nicht, wenn wir an der Nase herumgeführt werden, meint der Schweizer Psychologe. Um das zu ändern, kürt Gigerenzer regelmäßig - gemeinsam mit seinen Co-Autoren Walter Krämer und Thomas Bauer - die Unstatistik des Monats. "Wir müssen uns schon einigen, was das interessanteste Thema ist … jeden Monat nachzulesen unter unstatistik.de. Es ist wirklich spannend, weil man dort wirklich selbst was lernt, und es macht auch Spaß."