Von Michael Horowitz

Laudatio auf Petra Morzé

Sehr verehrte Ö1-Fans, liebe Petra!

"Vorsicht: zerbrechliche Ware!" sollte als Etikette auf dem Seidenpapier stehen, in dem Petra Morzé eingepackt wäre. Es war ein weiter Weg voller Selbstzweifel, Neuorientierungen und einem Überschwang der Gefühle, der oft kaum zu bremsen war, bis heute.

Petra Morzé, als eines von sieben Kindern in Klagenfurt geboren, wächst im Weinviertel auf. Oft raubt die rigide Erziehung der Eltern dem Mädchen fast den Atem. Sätze wie "Schlaf nicht so lange, sonst ist der ganze Tag im Eimer" haben immer schlechtes Gewissen hinterlassen. Wenn die Umklammerung der Eltern zu massiv wird, flüchtet Petra. Sie hilft den Bauern beim Heuen und der Erdäpfel-Ernte. Sie streift während der drückend heißen Sommer durch die Wälder, schwimmt im kühlen, schlammigen Teich, radelt wie von Sinnen quer übers Land. Um dann ruhig vor einem wogenden Weizenfeld zu sitzen und zu beobachten, wie es sich leicht bewegt. Glücksmomente. Für ein Kind, das Wärme und Geborgenheit sucht - und im Elternhaus kaum findet.

Schon im Alter von 15 Jahren geht sie von zu Hause fort. Mit 17 verdient sie ihr Geld selbst. Petra statiert beim Film, ist Lichtdouble für Udo Jürgens, geht putzen, verkauft Schrauben und serviert in einer Autobahnraststätte. Ihre Schauspielausbildung absolviert sie dann in Graz. In dieser Zeit bewegt sie ein Satz der großen Romy Schneider: "Im Film kann ich alles, im Leben nichts." Manchmal habe sie sich damals wie Romy gefühlt, meint Petra, sie habe ihre Melancholie und Einsamkeit nachvollziehen können. Doch das Spiel mit Tristesse wird für Petra Morzé nicht zum Lebensmotto, immer mehr ist sie der Leichtigkeit des Seins auf der Spur.

Heute, als Burgtheater-Ensemblemitglied, faszinierend vielseitige Film- und Fernsehdarstellerin und hier in diesem außergewöhnlichen Ambiente des RadioKulturhauses als "Schauspielerin des Jahres" ausgezeichnet, ist Petra Morzé in ihrer Mitte angelangt. In ihren Gedanken und Gefühlen überwiegt die Harmonie. Doch immer wieder fragt sie sich "… wo steh' ich eigentlich". Das Satte, das Zufriedene, das Bequeme ist ihr zuwider.

Auch wenn sie schon sehr früh in der Tageszeitung "Die Presse" mit einer ganz Großen verglichen wird, "die schöne Sprachmelodie von Petra Morzé an die Wessely erinnert". Immer wieder findet man seit damals in Kritiken die Attribute "edel, elegant - ja majestätisch", aber auch "mitreißend komödiantisch". Sie sei "eine Bühnenkünstlerin, die nicht bereit ist, Stillstand auf hohem Niveau zu akzeptieren", schwärmt Guido Tartarotti im "Kurier", "sie will mehr". Für mich ist Petra Morzé eine Meisterin der Zwischentöne. Immer ohne falsches Pathos. Mit unglaublicher emotioneller Bandbreite. Und oft beklemmend eindringlicher Intensität.

Die Phase der Unruhe an der Burg ist überstanden. Als eine Art junge Mutter Courage hat Morzé den Kampf gegen Direktor Hartmann und Menschen, die er mitgebracht hat und die, wie sie selbst sagt - "an Arroganz und Selbstgefälligkeit nicht zu überbieten waren" - mitgetragen.

Ihre schauspielerische Vielfalt konnte sie an allen großen Theatern Österreichs unter Beweis stellen. Auch im Fernsehen. Feine Ironie prägen ihre Darstellung, von der Kult-Kolumnistin Polly Adler bis zur frustrierten Ehefrau im Vorarlberger Landkrimi: Chaos de Luxe bis tiefschwarzer Humor. Und Petra Morzé brilliert in vielen der wichtigsten Österreichischen Filme der letzten Jahre: Im Bergdrama "Nordwand", im Pilgerfilm "Lourdes", in Ulrich Seidls "Import Export".

Oder in "Antares": Mit einem Meldezettel an der Wiener Peripherie bricht sie aus dem monotonen Alltag aus und lebt mit einem Wildfremden geheimes Verlangen und tiefschlummernde Fantasien aus. Dagegen wirkt "Shades of Grey" wie eine Hausfrauen-Tupperware-Party mit Doris Day. Ein Film mit hocherotischen Sexszenen, die nie spekulativ wirken. "Die Nacktheit war wie ein Kostüm", meint Morzé, "… beim Drehen hab ich mich nie nackt gefühlt, kein Moment war von Scham behaftet. Vor meinem Au-pair-Mädchen würde ich nie so herum springen …"

Mit erotischen Szenen kann sie früh Erfahrungen sammeln. Nach der Matura zieht es Petra ein Jahr nach Israel. Und hier spielt sie ihre erste Filmrolle, in der Teenie-Komödie "Eis am Stiel 6". Ein weiter Weg bis zum Burgtheaterstar. Bis Handke, Horváth und Botho Strauß. Bis zu den Herzensschlampereien des Arthur Schnitzler, dem ständigen erotischen Geplänkel zwischen Gier und Eifersucht. Als Schauspielerin im "Reigen", die sich mit dem Dichter herumspielt, als das enttäuschte, junge Mädl Christine in "Liebelei" oder als Genia in "Das weite Land". Als verletzte, einsame aber dennoch starke Frau des Fabrikanten elektrischer Glühlampen, Friedrich Hofreiter.

Petra Morzé trifft die Zwischentöne in jeder Phase ihres unaufdringlichen Spiels perfekt. Schnitzlers Frauenfiguren, das Lieben, das Leiden, die verletzten Seelen haben auch irgendwie mit ihr selbst zu tun. Morzés Liebe zu Arthur Schnitzler reicht bis in die Studienzeit zurück. Ihre Magisterarbeit trägt den Titel "Frauenfiguren bei Arthur Schnitzler".

Jetzt ist Petra Morzé von der ORF-Hörspiel-Jury zur "Schauspielerin des Jahres 2014" gewählt worden. Nach Kollegen wie Andrea Clausen und Michou Friesz, Peter Matic und Peter Simonischek, Elisabeth Orth und Cornelius Obonya. Das Hörspiel, die erwachsene, starke Schwester des Hörbuchs, das immer mehr Freunde findet, fasziniert die Morzé: "Nur mit der Stimme Räume zu öffnen, Gedanken und Stimmungen zu vermitteln und dadurch den Kosmos eines Menschen zu erzählen, ist für mich immer eine große Herausforderung."

Petra Morzé hat ihre Mitte gefunden. Sie hat gelernt, mit Gefühlen umzugehen. Das Leben ist rund geworden. Und heute diese große Ehrung. Petra, ich freue mich mit dir, ich bin stolz auf dich, du "Schauspielerin des Jahres".