Fotos von Ren Hang im OstLicht

Gleichzeitig aufreizend erotisch, poetisch und voller Humor zu sein - diesen Spagat schaffen die Fotos des chinesischen Künstlers Ren Hang. Jetzt sind seine Bilder in der Wiener Galerie OstLicht zu sehen. Der Titel der Schau lautet schlicht und einfach "Wild".

Nackte Frau mit Tulpe

REN HANG

Kulturjournal, 16.03.2015

Seine durchwegs nackten Modelle inszeniert Ren Hang dabei wie surreale Skulpturen. Die Fotos entstehen im Studio aber auch im Freien, in Wäldern, Reisfeldern oder auf Hausdächern. Das hat Ren Hang schon des Öfteren mit dem Gesetz in Konflikt gebracht. Geschadet hat das seiner Karriere nicht. Ganz im Gegenteil: Der Fotokünstler wird seit einigen Monaten international als Shooting-Star gefeiert.

Körperwellen

REN HANG

Service

OstLicht - Ren Hang

Von weitem glaubt man eine Wüstenlandschaft zu sehen, doch im Näherkommen entpuppen sich die vermeintlichen Dünen als Rücken und Gesäße. Auf einem anderen Bild hält eine Nackte einen Schwan im Arm, der lange Hals des Tiers verdeckt dabei wie ein Balken die Augen der Frau. Was hat es mit der Nacktheit seiner Modelle auf sich?

"Nacktheit ist einfach Nacktheit, für mich steckt da keine Symbolik dahinter. Wenn sich ein Mensch vor mir auszieht, fühle ich mich ihm dadurch näher. Es ist ein Akt des Vertrauens, jemandem seinen nackten Körper zu zeigen und dadurch entsteht ein ganz enges Verhältnis, das mir sehr wichtig ist", sagt Ren Hang mit einem spitzbübischen Lächeln, das im Verlauf unseres Gesprächs auch nie so ganz aus seinem Gesicht verschwinden wird.

Durch Zufall Künstler

28 ist der junge Künstler gerade einmal, seine Fotos waren in den letzten Monaten aber in Hongkong, Paris, Kopenhagen und Frankfurt zu sehen. Vorgezeichnet war dieser Erfolg nicht, denn Ren Hang stammt aus dem entlegenen Nordosten Chinas, der ehemaligen Mandschurei. Zum Künstler wurde er auch eher durch Zufall. Auf der Uni war ihm langweilig und weil er gerade eine Kamera bei der Hand hatte, begann er eben zu fotografieren.

Versteht sich, dass auch diese Antwort wieder von einem ironischen Grinsen begleitet wird. Seine Fotos entstehen entweder vor neutralem Hintergrund, manche Bilder hat er aber auch im Freien geschossen. Zwei Nackte liegen da etwa ausgestreckt auf einem Hausdach und dann gibt es da dieses Bild von vier Frauen, die, tief im Wald, sich gegenseitig und einen Baum umarmen. Zum Fotografieren nach draußen zu gehen, ist aber jedes Mal ein Spiel mit dem Feuer. Ren Hang: "Einmal ist es mir beim Fotografieren im Freien passiert, dass jemand die Polizei gerufen hat und ich festgenommen wurde. Seit damals bin ich sehr vorsichtig, wenn ich draußen fotografiere, weil das für mich und meine Modelle sehr gefährlich werden kann."

Kompliment "Pornografie"

Ren Hang rüttelt an Tabus und schreckt auch vor provokanten Titeln nicht zurück. "Intercourse with Beijing" nannte er etwa eindeutig mehrdeutig eine seiner ersten Einzelausstellungen in der chinesischen Hauptstadt. "Gewisse Bilder kann ich in Ausstellungen nicht aufhängen", erklärt Ren Hang: "Die Situation im Land wird aber immer besser. Vor wenigen Jahren war es noch gänzlich unmöglich, Bilder nackter Frauen zu zeigen, mittlerweile gibt es aber Galerien, in denen das geht."

So explizit die Bilder auch sind, immer verführen sie auch zu einem Schmunzeln: Sei es wegen des betont gleichgültigen Blicks der Modelle oder wegen der absurden Körperverrenkungen, in die Ren Hang sie zwingt. Trotzdem kommt natürlich vor allem in China immer wieder der Vorwurf, seine Bilder seien pornografisch. Ren Hang betrachtet das als Kompliment. Er ziele ja darauf ab, sagt er, dass seine Bilder eine starke Erotik ausstrahlen. Seine Modelle wirken dabei immer selbstbewusst.

Man spürt die Achtung und den Respekt, mit denen Ren Hang ihnen begegnen muss: "Anfangs habe ich immer meine Freunde fotografiert, mittlerweile kommen aber immer wieder Fremde zu mir und bieten sich als Modelle an. Wenn die Chemie zwischen uns stimmt, fotografiere ich sie regelmäßig und dadurch entwickelt sich meistens rasch eine Freundschaft."

Digitalfoto ist tabu

Nicht anfreunden will Ren Hang sich hingegen mit der digitalen Fotografie. Seine Bilder entstehen analog und das hat mehrere Gründe: "Die Wirkung der Fotos ist einfach intensiver und man kommt auch gar nicht in Versuchung im Nachhinein etwas zu verändern. Das Foto ist mit dem Druck auf den Auslöser mehr oder weniger fertig. Ich lasse höchstens noch beim Entwickeln und Ausbelichten kleine Farbkorrekturen vornehmen. Wobei das eine Farbigkeit ist, die mir auch weit besser gefällt als die digital hergestellte. Und was ich noch am analogen Fotografieren mag, ist die Wartezeit bis das Foto vom Entwickeln kommt. Es ist sogar genau dieses Warten, das für mich den Akt des Fotografierens so erregend macht."

Witz und Erotik von Ren Hangs Fotos wurden erwähnt, damit hat sich’s aber nicht, denn da gibt es auch noch eine bei diesen Sujets unerwartete Melancholie, die immer wieder sanft aufblitzt und letztendlich für die besondere Wirkung der Bilder verantwortlich ist. Und dann erfährt man, dass der Fotokünstler auch Gedichte schreibt und glaubt damit hinter das Geheimnis seiner Fotos gekommen zu sein. Doch es wäre nicht Ren Hang, wenn er solche Erklärungen nicht gleich wieder mit einem Grinsen wegwischen würde: "Zwischen den beiden gibt es keinerlei Zusammenhang. Entweder ich schreibe Gedichte oder ich fotografiere", sagt Ren Hang verabschiedet sich und geht davon durch seine Ausstellung, verfolgt von den unter die Haut gehenden Blicken seiner Modelle.