Ein Ringstraßenpalais zwischen "Arisierung" und spätem Recht
Bürokratie & Beletage
Der Wiener Historiker Robert Streibel, Direktor der Volkshochschule Hietzing und einer der regsamsten Aktivisten des österreichischen Volksbildungswesens, hat die Geschichte des Palais Schwab pünktlich zum Ringstraßen-Jubiläums-Jahr 2015 in allen Details erforscht.
8. April 2017, 21:58
"Mit Akkuratesse zeichnet Robert Streibel in seiner Studie die wechselvolle Geschichte des Palais Schwab nach."
Die zwischen Ronacher und Stadtpark situierte Immobilie ist ein beredter Zeuge der historischen Verwerfungen der letzten eineinhalb Jahrhunderte. Es war der jüdische Textilindustrielle Gottlieb Schwab, aus Prag stammend, der sich mitten im Gründerzeit-Boom der frühen 1870er Jahre von Architekt Wilhelm Stiassny ein fashionabales Innenstadt-Palais bauen ließ, einen repräsentativen Wohnsitz, der den Aufstieg der Schwabs in die tonangebenden Kreise Wiens auch architektonisch dokumentieren sollte.
Die Umwälzungen des frühen zwanzigsten Jahrhunderts - Erster Weltkrieg, Ausrufung der Republik und Bürgerkrieg im Februar und im Juli 1934 - erlebte das Palais in der Weihburggasse nach mehreren Eigentümerwechseln mehr oder weniger unbeschadet. Im Sommer 1938, so Robert Streibel, wurde die Immobilie, wie viele andere auch, von den Nazis "arisiert" und die "Reichsanstalt deutsche Arbeit" zog dort ein - bis 1945.
Nach 1945 übernahm die Republik Österreich das Palais Schwab ohne größere Umstände: Bis in die späten Neunziger-Jahre hinein war in der Weihburggasse 30 die Zentrale der Arbeitsmarktverwaltung Wien untergebracht. In den 2000er Jahren gab es so etwas wie ein Happy End: Das Haus Weihburggasse 30 war das erste Objekt, das naturalrestituiert wurde.
Robert Streibels Buch ist ein aufschlussreiches Stück Wiener Zeitgeschichte, das der 56-jährige Historiker mit vorbildhafter Gründlichkeit aufgearbeitet hat.