Happy Birthday, Pierre Boulez!

Einst war er ein musikalischer Rebell, heute ist er längst ein Klassiker der Moderne, der die Musik des 20. Jahrhunderts wesentlich mitgeprägt hat: Der französische Komponist, Dirigent und Musiktheoretiker Pierre Boulez wird heute 90 Jahre alt.

Und die Musikwelt feiert ausgiebig: So ehrt die Staatsoper Berlin den Jubilar ab morgen mit einer Konzertreihe, in der unter anderem die Wiener Philharmoniker eine Auswahl seiner Werke spielen werden.

Morgenjournal, 26.3.2015

Vor genau sechzig Jahren erlebte Pierre Boulez' kammermusikalisches Werk "Le marteau sans maitre" (Der Hammer ohne Herr) seine Uraufführung. Ort des Geschehens war das deutsche Baden-Baden, wo Boulez seine frühen musikalischen Erfolge feierte, und wo er bis heute lebt. "Le marteau" gilt heute als Schlüsselwerk: Man schrieb die 1950er Jahre, und die musikalische Avantgarde Europas beschritt gänzlich neue Wege.

Boulez entwickelte zusammen mit Kollegen wie Karlheinz Stockhausen die sogenannte "serielle Musik": nicht mehr persönlicher Geschmack und überkommende Traditionen, sondern mathematische Ordnungssysteme sollten das musikalische Schaffen bestimme. Doch Boulez erkannte auch bald, dass man dabei keinem Dogmatismus verfallen durfte:

"Wenn ich sehe, was ich z.B. 1950 geschrieben habe, so war das sehr düster, sehr scharf konturiert", erinnert sich Boulez. "Was ich jetzt mache, ist viel freier; für diese Freiheit habe ich gekämpft. Man kann nicht ohne Gesetzt arbeiten, aber man muss gleichzeitig frei von diesem Gesetz sein."

Boulez und die Oper

In seiner Musik vereint Pierre Boulez mathematische Prinzipien mit den gestalterischen Freiheiten des französischen Impressionismus - immer in dem Wissen, dass ein gutes Musikstück sowohl Struktur als auch das emotionale Moment braucht. Sein berühmter Ausspruch aus den 1960er Jahren, man müsse alle Opernhäuser sprengen, ändert nichts daran, dass sich Boulez stets intensiv mit der Tradition auseinandergesetzt hat:

In Bayreuth dirigierte er in den 1970er Jahren eine bis heute legendäre "Ring"-Inszenierung von Patrice Cherau und interpretierte den Zyklus auch musikalisch völlig neu. In den 90ern zählte er zu den wichtigsten Gastdirigenten der Wiener Philharmoniker, mit denen er etwa Mahler-Symphonien aufgenommen hat.

Der Klangforscher

Zuallererst sieht sich Pierre Boulez aber als Komponist - und hat auch die Forschung auf diesem Gebiet massiv vorangetrieben. In Paris gründete er das IRCAM, ein Klangentwicklungslabor, in dem man den Computer als Kompositionswerkzeug und Musikinstrument entwickelte.

"Mit der Elektronik will ich keine neue Religion bringen", erklärt Boulez. "Ich sehe die Elektronik als eine Erweiterung der Mittel, die uns Komponisten zur Verfügung stehen: z.B. zur Erweiterung von Rhythmen, zur von Intervallen, zur Erweiterung vom Raum."

Das vielfältige Oeuvre von Pierre Boulez beleuchtet ab morgen die Staatsoper Berlin mit einer Konzertreihe, und auch die Salzburger Festspiele ehren den Komponisten kommenden Sommer in ihrem Konzertprogramm. Und viele werden wohl hoffen, dass der gesundheitlich angeschlagene Maestro bei der einen oder anderen Feierlichkeit auch persönlich vor sein Publikum treten wird.

Service

ircam - Institut de Recherche et Coordination Acoustique/Musique, Centre Pompidou]
Universal Edition - Pierre Boulez