Junge Burg: Familiengeschichten. Belgrad

Biljana Srbljanovic, eine der meistbeachteten serbischen Dramatikerinnen der letzten Jahre, befasst sich in ihren Essays und Theaterstücken immer wieder kritisch mit den Balkan-Kriegen. Im Vestibül des Wiener Burgtheaters hat ihr Werk "Familiengeschichten. Belgrad" im Rahmen der Jungen Burg morgen Premiere.

Ihr 1998 uraufgeführtes Stück "Familiengeschichten. Belgrad" handelt von Kindern, die die Erwachsenenwelt nachspielen - eine Welt, die von Krieg, Gewalt und archaischen Weltbildern geprägt ist.

Kulturjournal, 22.4.2015

Drei Kinder treffen sich auf einer abgelegenen Mülldeponie zum Spielen. Sie schlüpfen in die Rollen von Vater, Mutter und Kind. Die Familiengeschichten, in die sie sich hineinversetzen, sind von Gewalt, Machtspielen und Sadismus geprägt.

Unter dem unmittelbaren Eindruck der Balkankriege hat die serbische Dramatikerin Biljana Srbljanovic das Stück "Familiengeschichten. Belgrad" geschrieben. Die Kriegsgegnerin und erbitterte Kritikerin des serbischen Staatschefs Slobodan Milosevic betrachtet hier wie durch ein Brennglas die vom Krieg heimgesuchte Gesellschaft.

In ihrem Stück lässt Srbljanovic erwachsene Schauspieler Kinder spielen, die wiederum in die Rollen von Erwachsenen schlüpfen. Ungefiltert übernehmen sie das in ihr Spiel, was sie zu Hause, bei Freunden und Nachbarn aufgeschnappt haben oder aus den Medien kennen.

Die Darstellerinnen und Darsteller, die gerade das Theaterjahr an der Jungen Burg absolvieren, haben sich den Gestus und die Sprechweise von Kindern genau angeschaut - und haben sich auch mit deren Schicksalen in aktuellen Kriegen befasst.

"Familiengeschichten. Belgrad" spielt unmittelbar nach dem Bosnienkrieg, doch das Stück lässt sich freilich problemlos auf die heutige Zeit übertragen. Die Kinder halten die Gewaltexzesse auf ihren Smartphones fest, im Text werden Bezüge zu aktuellen Konfliktherden wie Syrien und der Ukraine hergestellt. Die Verfügbarkeit von Bildern im Internet lässt Kriege heute näherrücken als je zuvor, sagt Junge-Burg-Leiterin Annette Raffalt, die das Stück inszeniert.

Junge Burg vor dem Aus?

"Familiengeschichten. Belgrad" könnte bis auf Weiteres die letzte derartige Produktion im Rahmen der Jungen Burg gewesen sein. Denn der Jugendschiene des Burgtheaters stehen große Änderungen bevor: Das Theaterjahr, dieses zehnmonatige Praktikum für Bühneninteressierte ab 18 Jahren, könnte Opfer der Sparmaßnahmen werden, mutmaßt Annette Raffalt.

Gemeinsam mit ihrem Mann, Peter Raffalt, ist Annette Raffalt, die Schwester von Matthias Hartmann, derzeit noch Leiterin der Jungen Burg. Nachdem Karin Bergmann die Zukunft der Jugendschiene zur Chefsache erklärt hat, stehen die beiden als Leitungsteam künftig nicht mehr zu Verfügung. Die von Raffalt angesprochene Pressekonferenz, in der die Burgtheater-Chefin wohl auch ihre Weichenstellungen bezüglich der Jungen Burg bekanntgeben wird, ist für kommenden Montag angesetzt.

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Burgtheater - "Jungen Burg: Familiengeschichten. Belgrad"

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