Tracey Emin & Egon Schiele im Leopold Museum

Die britische Künstlerin Tracey Emin ist die Queen der Provokation. Eine Ausstellung im Leopold Museum zeigt Emin im Dialog mit einem österreichischen Provokateur: Egon Schiele. "Tracey Emin. Egon Schiele - Where I Want to Go" ist ab morgen bis 14. September zu sehen.

Tracey Emin vor Egon Schieles Gemälde "Sitzender Männerakt (Selbstdardstellung)"

Tracey Emin vor Egon Schieles Gemälde "Sitzender Männerakt (Selbstdardstellung)"

LEOPOLD MUSEUM WIEN

Mittagsjournal, 23.4.2015

Als Queen der Provokation gilt die britische Künstlerin Tracey Emin, der derzeit eine Ausstellung im Leopold Museum gewidmet ist. Sie wurde im London der 90er Jahre zu einer der erfolgreichsten Künstlerinnen der Welt, indem sie ihr Leben zur Grundlage ihrer Kunst machte. Dazu gehörten: Missbrauch durch einen Familienfreund, Schulabbruch, Alkoholkonsum, Essstörungen, und Sex. Heute will die inzwischen 52-jährige Künstlerin nicht mehr über Sex sprechen und nicht darüber, dass sie als Kind der Arbeiterklasse heute David Cameron wählt.

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Everyone I Have Ever Slept With

In ihrer Jugend habe sie mit mehr Männern geschlafen, als während des ganzen Rests ihres Lebens, sagt die aparte 52-Jährige. 1995 betrat sie die Londoner Kunstszene mit einem Paukenschlag: Für ihre Arbeit "Everyone I Have Ever Slept With" hatte sie 102 Namen in eine Zeltwand gestickt. Sex habe sie aber nur mit 32 davon gehabt. Der Rest seien Familienmitglieder gewesen, ihre Großmutter, enge Freunde, Menschen um die sie sich gekümmert habe. Denn es sei eine Arbeit über Intimität gewesen.

"My Bed" für 3,9 Mio. Euro

Tracey Emin sagt, dass schon damals in der harten Londoner Kunstszene der 1990er Jahre sei der sexuelle Aspekt überbewertet worden. Die Medien hätten Skandale geliebt und sich immer darauf gestürzt. Ihrem Marktwert hat der Geruch von sexuellen Exzessen nicht geschadet: Heute steht ihre Arbeit "My Bed", die ursprünglich Chares Saatchi gekauft hatte, in der Londoner Tate Gallery, als Leihgabe eines Sammlers, der das Kunstwerk um 3,9 Mio. Euro erworben hat. Heute kämpft Emin darum, dieses Skandalimage wieder loszuwerden.

Mehr als Sexskandale im Leopold Museum

Die Ausstellung im Leopold Museum zeigt, dass Tracey Emin mehr zu bieten hat, als künstlerisch verarbeitete Sexskandale - obwohl auch hier eine ältere Arbeit zu sehen ist: ein Zeichentrickfilm, entstanden aus etwa 300 Zeichnungen, der eine Frau beim Masturbieren zeigt. Natürlich würde keine Frau jemals so mastrubieren, das sei eine reine Männerphantasie, sagt Emin. Ihr ginge es in dieser Arbeit ums Thema Alleinsein und wie man damit zurechtkomme.

Sehr poetisch und traurig zugleich sind ihre "Lolenly Chair"-Zeichnungen, eine Serie, die eine nackte Frau auf einem Stuhl zeigt, die ihre Vulva offen zeigt. Daneben eine Serie von kleinen Skulpturen, die Paare zeigen: eine Frau mit einem Fuchs, eine Frau auf einem Schwein. Darunter jeweils poetische Titel wie "Ohne ihn fehlte ihr der Spiegel".

In einer anderen Serie von Zeichnungen kommt sie noch einmal auf ihre Vergewaltigung in Jugendjahren zurück: Da sieht man eine nackt Frau auf einem Mann reiten, dabei bleibt sie aber völlig unbeteiligt und steif. Alle diese Zeichnungen erzählen weniger von exzessiven Körperfreuden als von unendlicher Einsamkeit beim Sex. Heute will Tracey Emin Sex nur noch, wenn er mit Liebe gekoppelt ist.

In ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, in einer Wohnung, in der die Heizung nur hin und wieder aufgedreht wurde, wählt Tracey Emin heute die Konservativen in England. Für sie ist es eine Wahl für die Kunst. Ihre Zeichnungen konfrontiert Tracey Emin immer wieder mit Arbeiten von Egon Schiele. Sie zeigt damit eine hochinteressante Ausstellung, die sowohl Egon Schiele, als auch Tracey Emin in einem neuen Licht erscheinen lässt.

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