Le Corbusier im Centre Pompidou

Vor 50 Jahren starb Le Corbusier - einer der größten, aber auch umstrittensten Architekten des 20. Jahrhunderts. Das Pariser Centre Pompidou zeigt eine umfassende Ausstellung mit rund 300 Werken des gebürtigen Schweizers.

Charles Edouard Jeanneret wurde weltberühmt unter seinem Pseudonym Le Corbusier. Der gebürtige Schweizer und eingebürgerte Franzose wurde in den 1950er Jahren als Revolutionär der Architektur bekannt. Das Pariser Centre Pompidou zeigt eine umfassende Ausstellung unter dem Titel: "Le Corbusier - die Maße des Menschen".

Morgenjournal, 30.4.2015

Aus Paris,

Da sind die Modelle der weißen, puristischen, hochmodernen Villen der 1920er Jahre, gebaut für aufgeschlossene Industrielle und Künstlerfreunde: eine offene, großzügige, dem Wohl des menschlichen Körpers verschriebene Architektur.

"Alle Erfindungen von Corbusier erschienen damals völlig unwahrscheinlich, heute gehören sie zum Alltag: wenige funktionelle Möbel, helle Räume; dann die Idee des Körpers - heute joggt fast jeder, unterhält seinen Körper -, damals waren das völlig neue Ideen, die Le Corbusier in seiner Architektur entwickelte", sagt Kurator Frederic Migayrou.

Der radikale Städteplaner

Immer wieder begegnet man Le Corbusiers Radikalität, besonders als Städteplaner: Schon 1922 entwarf er "Die Stadt für drei Millionen Menschen" - eine Art Wald aus Wolkenkratzern. In den 1940er Jahren dann die ersten Skizzen für seine berühmten "Wohneinheiten", eine nach einem Proportionssystem am Maß des Menschen orientierte Architektur, die sich unter anderem in der so genannten "strahlenden Stadt" in Marseille niederschlug - ein vertikales Dorf in einem gigantischen Rohbetonkomplex, 1952 vollendet, mit öffentlichen Einrichtungen, wie Schulen oder Postämtern, auf verschiedensten Etagen für rund 1800 Einwohner.

Kollektives Wohnen

"Er machte extrem radikale Vorschläge, dafür wurde er auch angegriffen: Er wollte z.B. das Zentrum von Paris abreißen", so der Kurator. "Natürlich war das nur eine Vision einer in seinen Augen funktionellen Stadt mit funktionellen Wohneinheiten für alle. Eine seiner ersten Arbeiten war eine Gartenstadt; er entwickelte aber auch enorm viele Arbeiterwohnungen, baute den Sitz der Heilsarmee in Paris - das kollektive Wohnen war ihm ein ganz besonderes Anliegen."

"Malen war maßgebend für sein architektonisches Werk"

Überraschend für den Besucher: Zu Beginn der Ausstellung begegnet er Le Corbusier als Maler - vor allem von Stillleben, die von seiner Auseinandersetzung mit dem Kubismus zeugen, manche erinnern an Fernand Legers Konstruktivismus: "Ein Ziel dieser Ausstellung ist: seine Arbeit als Architekt mit seiner Arbeit als bildendem Künstler, als Maler in Verbindung zu bringen, seine Malerei ist absolut maßgebend für sein architektonisches Werk."

Bau der indischen Stadt Chandigarh

Ein einziges, umfassenderes städtebauliches Experiment hat Le Corbusier wirklich umsetzen können: das junge, unabhängige Indien gab ihm 1950 die Gelegenheit, mit Chandigarh die neue Hauptstadt des Punjab zu bauen: Verwaltungsgebäude und Machtzentren, Plätze und Hauptachsen sowie einige Wohneinheiten.

"Es war sein Traum, eine Stadt zu bauen und dort hat man ihm die Möglichkeit gegeben: Nehru hat sie eingeweiht. Malraux, Frankreichs Kulturminister, war anwesend, dem Le Corbusier sehr nahe stand, und der nach Corbusiers Tod die Trauerrede im Louvre hielt."

Sympathien für Mussolini und Vychi

Zeitgerecht zur Ausstellung sind dieser Tage in Frankreich zwei Bücher erschienen, die für Aufregung sorgen, weil sie eine Seite der komplexen Persönlichkeit Le Corbusier in Erinnerung rufen, die im Grunde aber schon seit Mitte der 1980er Jahre bekannt ist: Als Verfechter eines autoritären Planens und Freund der Körperkultur zeigte die Architekturlegende Ende der 20er Jahre Sympathien für Mussolini, stand während der deutschen Besatzung Frankreichs lange Zeit an der Seite des Vichy-Regimes, zählte mehrere Ultras aus dem rechtsextremen französischen Lager zu seinen Freunden und in seiner Korrespondenz finden sich sogar eindeutig antisemitische Äußerungen.