Grischkowez' "Abschied vom Papier"

Der aus Sibirien stammende und in Kaliningrad lebende Jewgenij Grischkowez ist Autor, Regisseur und der wohl bekannteste russische Performer. Gestern Abend hatte bei den Wiener Festwochen sein jüngstes Stück Premiere im deutschsprachigen Raum. Darin thematisiert Grischkowez heiter-nostalgisch den Siegeszug des digitalen Zeitalters.

Morgenjournal, 29.5.2015

Jewgenij Grischkowez steht allein auf der Bühne, er erzählt Geschichten und Anekdoten und sinniert so vor sich hin. Vor einer Wohnzimmerwand mit fünf Türen steht ein Schreibtisch, darauf eine alte Schreibmaschine, ein Karton, Papierblätter, ein großformatiger gezeichneter Plan, am Boden liegt ein Haufen Bücher. Als Grischkowez hereinkommt packt er einen Laptop aus.

Für das Wiener Publikum gibt es eine Konsekutivübersetzung, Schauspielchef Stefan Schmidtke übernimmt - in einer Ecke der Bühne sitzend - die Rolle des Übersetzers. Er und Grischkowez sind eine eingespieltes Team, das haben sie schon 2002 bewiesen, als der russische Performer mit dem Stück "Wie ich einen Hund gegessen habe" bei den Festwochen gastiert hatte, eine Produktion mit der er auch international bekannt wurde.

Sinnlichkeit von Buch und Papier

Natürlich sind Computer praktisch, sie sind schnell und effizient. Die Kommunikation über SMS und E-Mail passiert in Sekundenbruchteilen. Früher schrieb man Briefe und Telegramme, man tat das bewusst, es gab die Post - mit Zug oder per Schiff -, man schrieb mit Tinte auf Papier. Auf Manuskripten berühmter Autoren lassen sich deren Stimmungen nachvollziehen, man sieht u.a. an den Korrekturen, wie der Text sich entwickelt hat. Alte Briefe und Tagebuchnotizen sind historische Zeugnisse, sei es nur im Familienkreis. Heute tippt man in den Computer, E-Books sind im Vormarsch, Bücher und Bibliotheken werden verschwinden.

In seiner Hymne an die Sinnlichkeit von Buch und Papier, Briefen und Löschpapier - das man kaum noch bekommt, da es wie vieles nicht mehr verwendet wird -, bringt Jewgenij Grischkowez eine sehr effiziente Mischung aus Humor und Nachdenklichkeit, ja Nostalgie auf die Bühne. Über zwei Stunden lang hält er den Dialog mit dem Publikum aufrecht und reagiert da auch spontan: Wenn ein Zuschauer auf die Uhr sieht oder ein Handy läutet, was übrigens zweimal passierte.

Szenische Mittel setzt er präzise und sparsam ein - wenn etwa ein Postzug mit Dampflok hinter der Wohnzimmerwand vorbeibraust, sich die Türen mal auf einen Birkenwald, dann auf Postkästen, Bibliotheken oder Papierberge öffnen. In Summe ein sehr gelungener Abend, dem Publikum hat es gefallen.

Service

Wiener Festwochen – Abschied vom Papier