Zwischenbilanz: Restitution von Raubkunst

Anlässlich des Filmstarts von "Die Frau in Gold" hat der Constantin Verleih heute Vormittag zu einer Pressekonferenz mit drei Experten sowie der Kultursprecherin der SPÖ geladen. Thematisiert wurden dort das aktuelle Restitutionsgesetz bzw. Probleme, die sich bei der Thematik Restitution noch heute stellen.

Mittagsjournal, 1.6.2015

Österreichs "Vorreiterrolle"

Zufrieden äußerte sich die Kunst- und Kultursprecherin der SPÖ Elisabeth Hakel gleich eingangs über das Österreichische Restitutionsgesetz: In Vergleich zu anderen Ländern könne man in Österreich zufrieden sein, so Hakel, "wir haben hier sicher einer Vorreiterrolle".

Das sahen andere Experten am Tisch nuancierter. So gab der Auktionator Otto Hans Ressler beeindruckende Zahlen bekannt - gewissermaßen eine Dunkelziffer des noch potentiell zu Bearbeitenden: "In Wien hat es etwa 60.000 'arisierte' Wohnungen gegeben. - Die Zahlen sind pure Spekulation: Wenn Sie davon ausgehen, dass in jeder Wohnung drei Werke waren, dann sprechen wir von 180.000 Kunstwerken. Diese Zahl könnte aber radikal zu tief gegriffen sein. Deswegen fürchte ich, dass, auch wenn Österreich gegenüber anderen Ländern vielleicht eine bessere Lösung - für die im Staatsbesitz befindlichen Werke - gefunden hat, für die im Privatbesitz befindlichen - nicht."

"Privaten sollten Provenienz abklären"

Der Wiener Rechtsanwalt Andres Nödl, der Mitglied des Schiedsgerichts in der Causa "Goldene Adele" war und heute eine Reihe von Restitutionsfällen - für Erben, das Leopold Museum und die Klimt-Stiftung betreut - verlangt mehr Bewusstsein und: Alle Privaten sollten ihre Sammlungen durchforschen, die Provenienz abklären lassen und gegebenenfalls eine faire Lösung im Sinne der Washingtoner Prinzipien anstreben.

"Skandalöses Verhalten bis in höchste Kreise"

Nikolaus Lehner, emeritierte Rechtsanwalt und in Kunstfragen spezialisiert, geht seinerseits mit den Sachverständigen hart ins Gericht: "Die Justiz ist auf der ganzen Welt überfordert, weil die Basis der Justiz sind oft die Gutachter. Die Wertevorstellungen der Gutachter, die Abhängigkeit vom kommerziellen Gewinn, ist ungeheuerlich miserabel."

Einig waren sich die Experten, dass der Spielfilm "Die Frau in Gold" grosso modo die Causa Goldene Adele den Gegebenheiten entsprechend wiedergibt, wenn auch Hollywood-mäßig emotionalisiert - es handle sich ja um keine Dokumentation. Und auch das fehlende Bewusstsein, ja oft skandalöse Verhalten österreichischer Behörden, bis in höchste Kreise, sei nicht übertrieben.

Bis vor relativ kurzer Zeit gab es auch auf dem österreichischen Kunstmarkt für mögliche Restitutionsfälle kein wirkliches Bewusstsein, unterstrich Otto Hans Ressler, ehemals in leitender Funktion bei den Auktionshäusern Dorotheum und Kinsky, heute mit einem eigenen Auktionshaus tätig.

"Wir haben in beiden großen Auktionshäusern Rothschild-Provenienzen in den Katalogen voller Stolz, aber ohne jegliches Bewusstsein angeführt. Erst mit dem Schock-Erlebnis, der Beschlagnahme der 'Wally' ist ein Umdenken bei uns und beim Gesetzgeber gekommen."

Ein Gesetz, das potentielle Raubkunst in Privatbesitz betrifft, ist übrigens in Österreich nicht geplant.