Porträt der französischen Designerin agnès b
Bekannt ist sie als Designerin zeitloser Mode, die französischen Chic mit einer Prise Rock 'n' Roll vereint. Seit Mitte der 1970er Jahren betreibt Agnès Troublé das Modelabel agnès b. Doch die Interessen der heute 73-Jährigen sind breit gefächert. 2013 präsentierte sie ihren ersten Spielfilm "Je m'appelle Hmmm..." bei den Filmfestspielen in Venedig.
8. April 2017, 21:58
Vergangenen Samstag feierte der Film im Wiener Filmmuseum Österreichpremiere. Einem Porträt der Filmemacherin, Designerin und Mäzenin Agnès Troublé.
Kulturjournal, 22.6.2015
Eine ungewöhnliche Beziehung
Die 11-jährige Céline lebt mit ihrer Familie in einer beschaulichen französischen Kleinstadt. Die Mutter arbeitet als Kellnerin. Der Vater ist arbeitslos und missbraucht seine Tochter fast täglich. Während eines Schulausflugs nimmt Céline Reißaus und versteckt sich in einem Truck. Dort trifft sie auf den Fahrer Pete, der sie allerdings erst entdeckt, als die beiden das beschauliche Städtchen längst hinter sich gelassen haben.
Der Beginn eines Road Movie quer durch Frankreich. Mit ihrem Debütfilm "Je m´appelle Hmmm…" zeichnet die französische Modemacherin Agnès Troublé das sensible Porträt einer ungewöhnlichen Beziehung zwischen dem schottischen LKW-Fahrer Peter und dem Mädchen Céline. Trotz sprachlicher Barrieren: Er spricht nur Englisch, Sie nur Französisch nähern sich die beiden aneinander an und Peter wird der Vater, den Céline nie gehabt hat.
"Nicht autobiografisch, aber sehr persönlich"
"Die Geschichte ist nicht autobiografisch. Ich bin oft gefragt worden, ob ich autobiografische Erfahrungen aufarbeite, aber das ist nicht der Fall. Ich glaube, dass es wichtig ist, sich mit dem Thema Inzest und Pädophilie auseinanderzusetzen. Missbrauch von Kindern hat es leider immer gegeben in allen Zivilisationen. Auch wenn er nicht autobiografisch ist, so ist mein Film dennoch ein sehr persönliches Projekt.
Ich habe die Geschichte geschrieben und mich in die Produktion und den Schnitt intensiv eingebracht. Gleichzeitig habe ich diesen Film mit der Freiheit einer Amateurin gemacht", sagt Agnès Troublé über ihren Debütfilm "Je m´appelle Hmmmm…". Dass ihr erster Film ein Road-Movie geworden sei, sei kein Zufall, sagt Agnès Troublé. Die ersten Filme, die sie gesehen habe, seien in ihrem Kopf entstanden - beim Blick aus dem Fenster während der Autofahrten mit ihrem Vater.
Die vorbeiziehenden Landschaften und Dörfer seien wie bewegte Bilder gewesen, die sie fasziniert haben. Kino im Kopf sozusagen. Mit der Realisierung ihres ersten Spielfilms ging für die heute 73-jährige Agnès Troublé Modedesignerin ein lange gehegter Traum in Erfüllung.
"Weil ich das Kino liebe! Ich wollte mich immer schon anders ausdrücken, nicht ausschließlich über meine Modedesigns. Ich entwerfe für mein Label agnès b. seit vielen Jahren. Ich wollte schon lange einen Film machen. Die Geschichte für meinen Film habe ich vor langer Zeit geschrieben. Und vor zweieinhalb Jahren habe ich gedreht. Endlich!", so Agnès Troublé.
Mäzenin und Produzentin
Seit längerem ist Agnès Troublé als Mäzenin und Produzentin aktiv. Sie hat Filme der französischen Regisseurin Claire Denis unterstützt und Arbeiten des amerikanischen Ausnahmefilmers Harmony Korine, der in den 1990er Jahren als Drehbuchautor von Larry Clarkes semi-dokumentarischen Spielfilm "Kids" berühmt wurde.
Seit Jahren verbindet das ungleiche Paar Agnès Troublé und Harmony Korine eine produktive künstlerische Freundschaft: "Ich schätze Harmony auch als bildenden Künstler. Lange war nicht bekannt, dass er auch malt. Harmonie ist ein Poet, der sich in verschiedenen Medien ausdrückt. Er hat eine Tasche und einen Pullover, bzw. ein T-Shirt für meine Kollektion entworfen. Das heißt, ich habe seine Zeichnungen in meiner Kollektion verwendet. Wir stehen uns sehr nahe! Harmony ist mein Komplize."
Dem Gespür vertrauen
Zeichnungen und künstlerische Arbeiten ihres Freundes Harmony Korine hat Agnès Troublé auch in ihrer Pariser Galerie ausgestellt. Seit den 80er Jahren ist die Alleskönnerin auch im Kunstgeschäft verankert. Ums große Geschäft geht es der Galeristin Agnés Troublé aber nicht. Sie will junge Talente fördern. "Ich liebe es, Talente zu entdecken! Seit 1984 führe ich in Paris eine eigene Galerie, die Galerie du jour. Ich habe dort viele junge Künstler und Künstlerinnen gezeigt, die später von großen Galerien vertreten werden. Ich habe mittlerweile gelernt, meinem Gespür zu vertrauen. Eine Galerie zu führen, ist ein eigener Beruf. Ich habe also drei Berufe: Ich bin Designerin, Galeristin und Filmemacherin", sagt Agnès Troublé.
Redakteurin eröffnet Boutique
Begonnen hat Agnès Troublés Karriere freilich im Feld der Mode. Als Kunststudentin wird sie in den 1970er Jahren von einer Redakteurin der Modezeitschrift "Elle" entdeckt. Denn die junge Agnès Troublé ist eine auffallende Erscheinung: Klassischen Pariser Chic kombiniert sie mit Teilen, die sie auf Flohmärkten findet. Agnès Troublè wird zuerst Moderedakteurin, Mitte der 70er Jahre eröffnet sie ihre erste Boutique in den Pariser Markthallen Les Halles und zwar in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Fleischerei. Wenn man mit ihr spricht, gewinnt man allerdings schnell den Eindruck, dass ihre wahre Leidenschaft dem Kino abseits des Mainstreams gehört.
Interesse für Stil, nicht für Mode
"Hier in Österreich haben Sie ein Genie: Michael Haneke. Ich habe ihn zum Kaffee getroffen. Ich liebe seine Filme - ‚Benny´s Video‘, die ‚Klavierspielerin‘. Es gibt viele Filmemacher, die ich verehre: Pasolini zum Beispiel. Wenn wir über das Kino sprechen, können wir lange miteinander sprechen", sagt Agnès Troublé, eine Modedesignerin, die den Modezirkus nie allzu wichtig genommen hat. Mode interessiere sie nicht, hat sie einmal gesagt, denn sie interessiere sich ausschließlich für Stil.