Warschau ist nicht Krakau!
So lautet eine der wichtigsten Selbstdefinitionen der Stadt. Der in Wien lebende und aus Polen stammende Schriftsteller Radek Knapp erzählt über seine Lieblingsorte in Krakau.
8. April 2017, 21:58

HEIKE POSSERT
Radek Knapp, "Gebrauchsanweisung für Polen"
"Reisende müssen nicht lange in Krakau herumspazieren, um festzustellen, dass diese Stadt das genaue Gegenteil von Warschau ist. Wenn Warschau das Hongkong Osteuropas ist, so ist Krakau sein Wien. Das einzige, was diese leibhaftigen Gegensätze miteinander verbindet, ist die Weichsel. Ansonsten bestehen zwischen beiden Städten viele Unterschiede, die die jeweiligen Einwohner nicht oft genug betonen können. Während die Warschauer unter der russischen Besatzung stöhnten, blühte das Galizien des Kaisers Franz Joseph auf. Man baute Häuser und Cafés, die denen in Wien ähnelten, und sogar der Zug brauchte im Jahr 1910 von Krakau nach Wien fünf Stunden, und nicht wie heute sieben."
Der Marktplatz von Krakau heißt Główny Rynek. "Rynek" heißt auf polnisch "Markt". Von diesem Wort hat sich die deutsche Bezeichnung „Ring“ für die keineswegs runden, sondern viereckigen Haupt und Marktplätze einer ganzen Region abgeleitet, vom Altstädter Ring in Prag bis zum Großen Ring in Breslau – ein Hinweis darauf, dass manches, das in diesem Teil Europas deutsch wirkt, doch slawische Ursprünge hat.
Der Schriftsteller Radek Knapp hat ebenfalls slawische Ursprünge. Er wurde in Polen geboren und lebt seit 40 Jahren in Wien. Er hat Sonja Bettel erzählt, was ihm an Krakau besonders gefällt.
"Das Wahrzeichen Warschaus ist dieser protzige Kulturpalast"
So etwas hat Krakau nicht nötig, meint Radek Knapp: da ist das Wahrzeichen rein akustischer Natur.
Am Główny Rynek, der übrigens mit 200 x 200 Metern der größte mittelalterliche Platz Europas ist, empfiehlt Radek Knapp einen Spaziergang in den Untergrund. Dort kann man in einem Museum multimedial in die Geschichte der Stadt eintauchen. Der Schriftsteller verrät, warum man am besten in den internationalen zurückgekehrter polnischer Auswanderer speist und warum es sich – trotz "touristischer Verseuchung" – dennoch lohnt, ein Bier in einem der bekannten Lokale im jüdischen Viertel Każimierz zu trinken.
Radek Knapp, "Gebrauchsanweisung für Polen"
"Als in den 1990er Jahren zahlreiche Exilpolen in ihre Heimat zurückkehrten, hatten viele von ihnen nur einen Wunsch: eine Kneipe in Krakau. Daher steht heute ein typisches Pariser Bistro neben einem englischen Pub, ein dezentes Wiener Beisl neben einem Berliner Szenelokal. Interessanterweise scheint die Tatsache, dass Krakau bereits eine einzige Kneipe ist, weitere Glücksritter nicht abzuschrecken. Man baut immer weiter fleißig Keller aus oder weicht gar in den 8. Stock aus. Ich kann mich auch nicht erinnern, irgendwo sonst ein Lokal gesehen zu haben, das man durch ein anderes betritt."