Thalhof: Die Wortwiege an der Rax

Der Thalhof in Reichenau an der Rax ist ein Ort mit Geschichte. Hier verkehrten Grillparzer, Nestroy, Altenberg oder Schnitzler. Kulturell wurde der Thalhof 15 Jahre lang von Helga David mit Schnitzler-Stücken bespielt. Die neuen Eigentümer suchten für den Ort ein neues künstlerisches Konzept und konnten die Regisseurin Anna Maria Krassnigg dafür gewinnen.

Thalhof in Reichenau

ORF/KATHARINA MENHOFER-POMPER

Morgenjournal, 26.6.2015

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Thalhof

Der Thalhof ist aus seinem Dornröschenschlaf erwacht: Majestätisch erhebt er sich im leuchtenden Schönbrunner Gelb am Waldesrand auf den grünen Hang über Reichenau - im Hintergrund die Ausläufer des Schneeberges. Ein besonderer Zauber liegt über diesem Ort, an dem Felix Saltens "Bambi" entstand, oder Sigmund Freud an seiner Traumdeutung arbeitete.

"Wenn man unten abzweigt, ist man in einem Wonderland, das nicht verkitscht ist sondern von einer monströsen Schönheit, die auch etwas Beunruhigendes hat", sagt Anna Maria Krassnig, die nebenbei noch die Spielstätte Salon5 in Wien leitet und am Max Reinhard-Seminar unterrichtet. Sie möchte den Thalhof wieder zu dem machen, was er einmal war - die Wortwiege an der Rax - ein hochkarätiger Ort für Theater, Literatur, Geisteswissenschaften und Dialog.

So hat sie zur Eröffnung am vergangenen Wochenende eine Dramatisierung von Robert Neumanns "Hochstaplernovelle" gezeigt; heute Abend folgt Anna Polonis "La Pasada", eine Familiengeschichte über die Aufdeckung einer Lebenslüge. Das Stück, der sehr zurückgezogen lebenden Dramatikerin, die von Krassnigg für den deutschsprachigen Raum entdeckt wurde, besteht aus Bühnen- und Filmsequenzen, in denen unter anderem Erni Mangold zu sehen ist.

Viermal Jährlich geöffnet

Der Thalhof soll kein Sommerfestival beherbergen, sondern ein kontinuierliches Labor, das viermal im Jahr stattfindet. Mit der wort.galerie hat man in einem Raum ein kleines filmisches Museum geschaffen, in dem zeitgenössische Denker über ihre Beziehung zu einem Thalhof-Dichter sprechen. Robert Schindel wählte Arthur Schnitzler, Franz Schuh Robert Musil, oder Paulus Hochgatterer Sigmund Freud. Die Verschränkung von Zukunft und Vergangenheit ist Krassnigg ein besonderes Anliegen.

"Der Thalhof beherbergte seit jeher die große literarische Avantgarde, das waren die Radikalen, die Kritiker und Selbstkritiker mit dem schonungslosen Blick und die würden es, glaub ich, sehr schätzen, wenn auf ihren Spuren die zeitgenössischen Selbst- und Weltkritiker zu Wort kämen", so Anna Maria Krassnig.

Lesungen, Vorträge und Diskussionen - unter anderem wird Julya Rabinovich über Schnitzler aus weiblicher Sicht sprechen runden das Programm ab. Die "Residenz der Flüchtigen" nennt Krassnigg ihr erstes Spielzeitmotto - und lädt ein, abseits vom Trubel der großen Städte, in dieser Oase der Kunst zu verweilen.