Erhard Stackl warnt / empfiehlt
Er war viele Jahre Außenpolitikredakteur mit Schwerpunkt Lateinamerika bei der Tageszeitung Der Standard. Heute arbeitet Erhard Stackl als freier Autor. Was ihm suspekt ist: Heimat-Fimmel und Sensations-Tweets.
8. April 2017, 21:58
Stackl warnt: Vor dem Heimat-Fimmel
Griass Eich! Wann hat das eigentlich begonnen? Es muss eine Bierwerbung gewesen sein, in der vor Jahren alpine Lederhosenträger in rotweiß-karierten Hemden ihre Flaschen im Wildbach einkühlten. Jetzt kommt schon jeder Käse im anlassigen Hüttenschmäh daher.

Sie sind ja schön, unsere Berge und Seen. Aber in der Großstadt sind Kirtage und Almgaudi fehl am Platz.
APA/EPA/ARMIN WEIGEL
Der Heimat-Fimmel erfasst auch das Bewusstsein. „Bei uns, bei uns“, heißt es ständig. Sogar auf Auslandsreisen lassen viele Österreicher den Lokalpatrioten heraushängen. Obacht! Manches mag ja „bei uns“ tatsächlich besser sein, aber vieles – zum Beispiel in der Bildung – ist anderswo besser.
Also. Runter von der Alm und hinaus in die Welt! Pfiat Eich!
Stackl empfiehlt: Longreads
Die Welt hat mehr verdient als 140 Zeichen. Vielen von uns reicht’s mit dem Informationsgewitter – den schreienden Headlines und sensationellen Tweets.
Zum Glück ist das Erzählen langer Geschichten wieder hip. "Longreads" oder "Longform" nennt man sie: sorgfältig recherchiert, frisch und kraftvoll geschrieben. Porträts, Reportagen und auch Interviews.
Die Stories nehmen uns mit an Schauplätze, an die wir nie kämen: auf ein Flüchtlings-Schiff im Mittelmeer, in ein Startup-Unternehmen oder zu isoliert lebenden Indigenen.
Es gibt sie im Internet, aber auch in Print: von der Luxusklasse des „New Yorker“ über das Schweizer „Reportagen“-Magazin bis zum heimischen „Datum“. Online weisen eigene Portale den Weg zu den Longreads: Liesmich.me etwa, oder Reportagen.fm. Und auf twitter führt der Hashtag Langstrecke zu herausragenden Texten.
Service
Buchtipp:
Erhard Stackl (Hg.), "Atención. Die besten Reportagen aus Lateinamerika", Czernin Verlag
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