Keine Anerkennung der Srebrenica-Resolution

Für die Überlebenden des Massakers von Srebrenica und für die Angehörigen der mehr als 8.000 Toten ist das Abschmettern der Srebrenica-Resolution im UNO-Sicherheitsrat ein Rückschlag. Die meisten können nicht verstehen, warum etwas, was das Kriegsverbrechertribunal von Den Haag und andere Gerichte als Genozid verurteilten, bei der UNO nicht durchkommt.

Un-Sicherheitsrat

UNO-Sicherheitsrat

(c) LANE, EPA

Morgenjournal, 9.7.2015

Einer von ihnen, der überlebt hat und der seither unermüdlich dafür kämpft, dass den Opfern Gerechtigkeit widerfährt, ist Hasan Nuhanovic. Er arbeitete damals für das Niederländische Blauhelmkontigent in der UN-Schutzzone Srebrenica als Dolmetscher und musste mitansehen, wie seine Familie an die bosnischen Serben ausgeliefert und so in den Tod geschickt wurden.

Geopolitische Hintergründe

Eigentlich war die Mission der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel darauf angelegt, die Westbalkan-Länder näher an die EU zu ziehen. Ein weniger offen genanntes Ziel war es, den EU-Beitrittskandidat Serbien noch etwas stärker dem traditionell großen Einfluss Russlands zu entziehen. Die Kanzlerin war am Mittwoch in Belgrad auch sehr freundlich empfangen worden.

Aber am Donnerstag titelte selbst die regierungsnahe serbische Zeitung "Informa": "Nur Putin kann Serbien retten." Der Grund: Im UN-Sicherheitsrat hatte Russland am Mittwoch Veto gegen einen Antrag Großbritanniens eingelegt, den Mord an mehr als 8000 bosnischen Männern und Burschen im Juli 1995 durch serbische Soldaten als Völkermord zu verurteilen.

"Unterschiedliche Sichtweisen"

Die Erinnerung an den Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien führt in den Nachfolgestaaten zu heftigen Debatten. Dabei hat der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag im Zusammenhang mit Srebrenica längst von einem Völkermord gesprochen.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat das Wort in den Mund genommen, Merkel tat es am Donnerstag in Sarajewo ebenfalls. Etwas anderes aber ist es, wenn das höchste UN-Gremium von Völkermord sprechen soll. "Das Abstimmungsverhalten im UN-Sicherheitsrat gestern bezüglich der Resolution zum Völkermord von Srebrenica hat gezeigt, dass es unterschiedliche Sichtweisen gibt", räumte Merkel deshalb ein.

Serbische Zeichen der Versöhnung

Es zeigt sich, dass die westliche Politik nicht unbedingt im Einklang mit der Aufarbeitung der Verbrechen in den betroffenen Ländern selbst steht. Diese verläuft meist wesentlich langsamer. Der Streit bricht zudem immer vor Gedenktagen wie jetzt dem 11. Juli in Srebrenica aus, an denen sich alle Seiten zu politischen Bekenntnissen verpflichtet fühlen.

Dabei ist Serbien unter dem prowestlichen Ministerpräsidenten Aleksander Vucic viel weiter, als die serbischen Reaktionen nahelegen. Auch Vucic nennt das Massaker einen Massenmord - nur ist umstritten, ob man dies angesichts des gegenseitigen Tötens zwischen Serben, Kroaten und Bosniern in dem Krieg als Völkermord bezeichnen kann. In Belgrad wird dies zumindest bestritten. Vucic hat allerdings als erster serbischer Regierungschef zugesagt, am 11. Juli an der zentralen Gedenkfeier für die Srebrenica-Opfer teilzunehmen - was ihm innenpolitisch viel Kritik einbringt.

Russland gegen Anglo-Amerika

Die russische Regierung hatte im UN-Sicherheitsrat argumentiert, mit der Resolution würden allein die Serben für Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht und damit die Versöhnung erschwert. Russland hatte eine Formulierung vorgeschlagen, nach der Srebrenica als ein die Völkergemeinschaft angehendes "sehr ernsthaftes Verbrechen" bezeichnet wird.

Doch das wollten Briten und Amerikaner nicht akzeptieren, da sie innenpolitisch unter Druck stehen, im Gegenteil noch klarere Worte zu finden. So hatte das US-Repräsentantenhaus am Mittwoch eine eigene Resolution beschlossen, in der das Massaker als Genozid bezeichnet wird.

In Berlin wird der britische Alleingang eher als unglücklich empfunden - obwohl man die Einschätzung des Völkermords teilt. "Symbolpolitik" nennt ein deutscher EU-Diplomat den nicht mit den europäischen Partnern abgestimmten Vorstoß aus London. "Moskau kann sich freuen."

Text: APA/Reuters/Red. / Audio: ORF