USA: Suche nach Bosnischen Kriegsverbrechern
Am Samstag jährt sich zum 20. Mal das Massaker von Srebenica. Am 11. Juli 1995 richteten serbische Milizen in der bosnischen Kleinstadt mehr als 8.000 bosnische Muslime hin. Das Massaker gilt als schwerstes Kriegsverbrechen der europäischen Nachkriegszeit. 2004 erklärte es das UNO-Kriegsverbrechertribunal zum Völkermord.
8. April 2017, 21:58

Der 65-jährige Historiker Michael MacQueen forscht in den USA nach bosnischen Kriegsverbrechern
ORF/VERENA GLEITSMANN
Mittagsjournal, 10.7.2015
Dutzende Verantwortliche wurden bereits verurteilt. Aber viele andere, weniger hochrangige Beteiligte konnten von den Gerichten bisher nicht belangt werden. Etwa, weil sie in andere Länder flüchteten, wie zum Beispiel nach Amerika. Die US-Regierung schätzt, dass sich hunderte bosnische Kriegsverbrecher in den USA aufhalten. Sie zu finden hat sich ein kleines Team an US-Historikern und Anwälten zur Aufgabe gemacht.
300 mutmaßliche Kriegsverbrecher aufgespürt
In einem kleinen Büro in Washington, zwischen Bergen von Dokumenten und Landkarten - steht der Schreibtisch von Michael MacQueen. Hier beginnt der 65-jährige Historiker jeden Tag seine Suche nach jenen Leuten, die vor 20 Jahren an den Greueltaten im Bosnienkrieg beteiligt waren - und jetzt friedlich und unbehelligt in Amerika leben.
Mehr als 120 000 bosnische Kriegsflüchtlinge flohen Mitte der 1990er Jahre in die USA - doch nicht alle waren Opfer, sagt MacQueen, der beispielsweise kroatische Gefangenenlisten mit US-Einreisedaten abglich und Personen identifizierte, die als Flüchtlinge in den USA lebten: "Wir haben weitergeforscht und konnten ihnen Morde und Vergewaltigungen nachweisen."
Seit 12 Jahren durchforstet MacQueen nun Unterlagen aus jener Zeit, wühlt in Archiven nach Mitgliedsverzeichnissen, Dienstplänen und Polizeiprotokollen. 300 mutmaßliche bosnische Kriegsverbrecher hat er bereits in den USA ausfindig gemacht.
Michael MacQueen
Viele haben sich in serbischen oder kroatischen Gemeinden niedergelassen. Sie arbeiten als Fabriksarbeiter, Fußballtrainer, LKW Fahrer. Und sie haben alle ein Geheimnis - sie haben schreckliche Verbrechen begangen.
Juristisches Hakenschlagen
Strafrechtlich können die meisten jedoch nicht in den USA belangt werden - dafür ist der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag zuständig. Michael MacQueen und sein Team haben deshalb eine andere Methode gefunden, sie des Landes zu verweisen - so wie der Gangsterboss Al Capone in den 30ern schlussendlich nur wegen Steuerhinterziehungen verhaftet werden konnte - suchen sie nach Fehlern in den Einwanderungspapieren.
MacQueen erklärt, wie er dabei vorgeht: "Alle Einwanderer werden bei ihrer Einreise gefragt, ob sie jemals Mitglieder des Militärs oder einer paramilitärischen Einheit waren. Wir vergleichen die Antworten mit unseren Unterlagen. Und wenn sie lügen oder etwas verschweigen, ist das ein Delikt, das wir verfolgen können."
Mehr als 30 Personen, die MacQueen mit dem Massaker von Srebenica in Verbindung bringen konnte, haben die USA bereits abgeschoben. Gegen 150 weitere laufen Gerichtsprozesse.
Kritik an "Menschenjagd"
Der US-Anwalt Christopher Brelje vertritt 25 jener Bosnier. Er bezeichnet MacQueens Arbeit als "pure Menschenjagd". Ja, einige seien im Laufe des Krieges zeitweise Mitglieder serbischer Rebellengruppen gewesen, gibt der Anwalt zu, "aber dazu sind damals viele gezwungen worden, weil sie Essen oder ein Versteck brauchten."
Vorwürfe wie diese machen den Historiker MacQueen wütend: "Jeder sagt: 'Ich war nur Fahrer, ich war nur Koch, ich war damals krank", jeder versucht, seine Rolle zu verharmlosen. Aber bei einem Verbrechen dieses Ausmaßes fällt es mir schwer zu glauben, dass irgendeiner der Beteiligten saubere Hände hatte." Er werde nicht ruhen, bis alle Verantwortlichen aufgespürt seien, sagt Michael MacQueen.