Mattieu Amalric verfilmt "Das blaue Zimmer"
1964 hat der belgische Schriftsteller Georges Simenon den Roman "La Chambre bleue" veröffentlicht, eines jener für Simenon typischen Werke, die die menschliche Natur hinter all ihren Masken zum Vorschein bringen wollen. Im Zentrum: eine Liebesaffäre, die sich in einen Doppelmord auswächst. Nun hat der französische Schauspieler und Regisseur Mattieu Amalric den Roman für das Kino adaptiert und einen elegant-raffinierten Krimi vorgelegt.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 15.7.2015
Schon beim ersten Aufeinandertreffen bei einer Autopanne in einem Wald fallen Julien und Esther übereinander her. Aus einer heftigen Affäre wird eine Liebe, die ebenso heftig nach Erfüllung drängt. Doch wie so oft sind da Hindernisse, Ehepartner zum Beispiel, oder die familiär sittsam eingerahmte Existenz in der französischen Provinz.
Zu Beginn tänzelt der Film um die Begierde und ihr Drängen, und schon hier spielt Regisseur Matthieu Amalric lustvoll mit Verweisen auf die kriminelle Energie, die dieses Drängen einfordert. Als Julien dann vor dem Untersuchungsrichter sitzt beginnt aber die wahre Lust, nämlich jene am Erzählen von Regisseur Amalric. Das Schreckliche in Buch und Film sei diese Klaustrophobie, nie komme man aus dem Kopf dieses Mannes heraus, so der Regisseur.
Simeons Anmerkungen waren ausschlaggebend
Lange bevor man die eigentliche Tat kennt, kennt der Kinozuseher bereits den Verdächtigen: In dessen Erinnerung rotiert die Geschichte zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Wehmut, Sehnsucht und Selbstverleugnung. Im Schnitt kreuzt Regisseur Amalric Ton- und Bildebenen auf wunderbare Weise vehement asynchron. Wenn der Richter nach Fakten sucht, antwortet der Gefangene zwar meist diszipliniert, doch in seinen Fantasien schwelgt er lieber in der Sinnlichkeit des Erlebten. Matthieu Amalric: "Ich glaube, es sind die genauen Anmerkungen von Georges Simenon zu Geräuschen, Gerüchen oder zum Licht, die mir Lust gemacht haben, diesen Roman zu verfilmen. Wir haben sie praktisch jedes Mal genau übernommen."
"Diese Dinge kann man nicht erzählen, man muss selbst erlebt haben", schreibt Georges Simenon in seinem Roman "Das blaue Zimmer". Ein Satz, den sich Mattieu Amalric zur Handlungsanleitung für seinen elegant-raffinierten Krimi gemacht hat. Ein Krimi, der zudem ein kniffliges Schuldverständnis aufwirft. Denn obwohl Julien vorsätzlich kein Verbrechen begangen hat, ist er alles andere als unschuldig.
Service
Ein ausführliches Interview mit Regisseur Matthieu Amalric und Drehbuchautorin Stéphanie Cléau hören Sie heute Nachmittag im "Kulturjournal".