Gegen das Vergessen - Garifuna-Musik im Waldviertel
Heute beginnt im Moorbad Harbach im Waldviertel das Kasumama-Afrika-Festival: Zum 15. Mal werden Workshops, Lesungen, Filmvorführungen und vor allem Livekonzerte rund um den afrikanischen Kontinent geboten. Einer der Stars des Festivals ist der aus Honduras stammende Musiker Aurelio. Er gilt als musikalischer Botschafter der Garifuna-Musik, die afrikanische mit karibischen Einflüssen vereint.
26. April 2017, 12:23
Kulturjournal, 15.7.2015
Es klingt wie traurige Surf-Musik, die zu Latin-Rhythmen einen karibischen Sonnenaufgang beschwört. Mit simplen, leichtfüßigen Reflexionen über das tägliche Leben begeistert Aurelio Martinez auf seinem letzten Album "Landini". Ein Album, das ganz in der Tradition der Garifuna vor allem auf Aurelios Stimme und die Kraft der Rhythmen setzt. Die Texte handeln vom einfachen Leben in den Fischerdörfern von Honduras, Aurelios Musik aber erzählt von Weltoffenheit und Grenzenlosigkeit.
"Ich füge der Garifuna-Musik neue Elemente hinzu, um unsere Kultur am Leben zu halten. Ich singe in unserer Sprache, spiele das Garifuna-Schlagzeug - ganz so wie meine Vorfahren. Aber ich arrangiere die Dinge etwas anders - vielleicht gelingt es uns so, diese Musik der Welt näherzubringen", sagt der Künstler.
Kultur der stolzen Auflehnung
Aurelio ist der schillerndste musikalische Vertreter der Garifuna-Kultur, der heute in Zentralamerika und den USA rund 100.000 Menschen angehören. Im 17. Jahrhundert kenterte vor der Karibik-Insel St. Vincent ein Sklavenschiff - die überlebenden Afrikaner trafen auf die Einheimischen, lernten ihre Lebensweise und ihre Bräuche - bevor sie britische Kolonialisten erneut an die Küsten von Honduras, Guatemala und Belize verschleppten.
Seitdem pulsiert Garifuna als eine Kultur der stolzen Auflehnung gegen Sklaverei und Unterdrückung. Durch mündliche Überlieferung und die Musik der Troubadoure, die abends die heimkehrenden Fischer mit ihren Liedern empfangen, wird sie bis heute weitergegeben und gepflegt: "Mein Großvater war Musiker, meine Mutter ist Sängerin und Komponistin, mein Vater spielte Gitarre - meine Musik kommt also von meinen Vorfahren und von meinen Eltern."
Vom abgelegenen Dorf Plaplaya aus eroberte Aurelio die Musikwelt. 2004 traf er auf den afrikanischen Superstar Youssou N‘Dour mit dem er gemeinsam im Senegal das Album "Laru Beya" aufnahm. Peter Gabriels Label Real World veröffentlichte dieses knisternde Aufeinandertreffen.
"Meine Mission ist erfüllt"
Doch Aurelio kämpft nicht nur mit Stimme, Gitarre und Schlagzeug für die Bewahrung seiner Kultur. Als erster Schwarzer wurde er in den Nationalkongress von Hunduras gewählt. Jahrelang rührt er seine Gitarre nicht an - bis er merkt, dass er als Musiker mehr erreichen kann als im feinen Anzug im Parlament: "Ich liebe meine Arbeit als Musiker - für mich ist das die schönste Art zu leben. Der Geist der Kunst und der Geist der Politik sind sehr, sehr verschieden. Nein, dieser Teil meines Lebens ist abgeschlossen. Ich bin zurück auf der Bühne, und dort werde ich auch bleiben und meine Kultur vertreten."
Nachdem 2008 sein Wegbegleiter und Freund Andy Palacio überraschend stirbt, rückt Aurelio in den Mittelpunkt des Interesses und wird zum musikalischen Aushängeschild der Garifuna - Druck verspürt er deshalb keinen. Im Gegenteil. "Ich bin sehr stolz. Als ich mit Andy Palacio Musik gemacht habe, gab es keine eigene Kategorie für Garifuna-Musik. Fast niemand kannte diese Musik. Heute sind wir ständig auf Tour und haben Top-Ten-Alben. Es passiert gerade sehr viel rund um die Garifuna-Musik. Für mich ist meine Mission erfüllt!"
Der evangelikalen Kirche gefällt das nicht
Dabei sind Aurelios Lieder immer auch Lieder des Widerstands - gegen das Vergessen der eigenen Wurzeln und gegen die immer noch aktuelle Unterdrückung der Garifuna. "Das größte Problem ist das Verschwinden unserer Kultur", sagt Aurelio: "Die Kinder sprechen nicht mehr unsere Sprache. Dazu kommt die Evangelikale Kirche, die unsere Tänze verbietet und aus unserer Garifuna-Kultur eine christliche machen will."
Das traditionelle Frage-Antwort-Spiel zwischen Chor und Sänger findet sich bei Aurelio ebenso wie fein ziselierte Melodien, die auf gezupften Gitarrenklängen dahingleiten: wehmütig im Ton aber unterlegt mit erhebend optimistischen, hypnotischen Rhythmen. Nostalgie und Melancholie schwingen durch diese Lieder. Auch wenn man die Texte nicht versteht, Aurelios Stimme durchdringt in ihrer Ausdruckskraft sprachliche Barrieren und hinterlässt Eindrücke, die mit dem Bauch und nicht mit dem Kopf gelesen und empfunden werden.
Service
Aurelio gastiert am Samstag, den 18. Juli beim Kasumama-Festival im Moorbad Harbach.
Kasumama Afrika Festival