Italienischer Umgang mit der Shoah
"Vergangenheitsbewältigung" ist ein Lehnwort im Italienischen, ein deutsches Konzept, das in Italien noch seiner Anwendung harrt, meint Marcello Pezzetti, der Direktor des Museum der Shoah in Rom. Die Italiener sind nach dem Zweiten Weltkrieg zum Tagesgeschäft übergegangen, ohne sich ihrer Rolle in der Shoah bewusst zu werden. Das soll durch das Museum der Shoah in Rom geschehen.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 17.7.2015
Oberösterreichischer Gedenkdiener in Italien
Manuel Grander aus Vöcklabruck ist seit September Gedenkdiener am Museo della Fondazione della Shoah. Er ist einer von etwa dreißig Österreichern, die der Verein Österreichischer Auslandsdienst alljährlich ins Ausland schickt. Der Tätigkeitsbereich des 18-Jährigen ist vielseitig: In Rom wirkte Grander an der Planung und Realisierung der Ausstellung "Die Befreiung der Konzentrationslager" mit. Sie war im italienischen Nationaldenkmal an der Piazza Venezia zu sehen. Auf einer Studienreise nach Auschwitz begleitete der österreichische Gedenkdiener eine Gruppe von 500 Studenten im Konzentrationslager: "Mit Zeitzeugen zu sprechen, das ist etwas sehr Einprägendes und Bewegendes, was ich sicherlich mein ganzes Leben nicht vergessen werde."
Das Museum der Shoah ist auch eine Anlaufstelle für Holocaust-Überlebende. Dem Gedenkdiener geht es darum, Rassismus, Hass und Fremdenfeindlichkeit zu verstehen und an ihre Wurzeln zu verfolgen: "Durch den Gedenkdienst setzt Österreich ein Zeichen, dass wir noch immer an der Vergangenheitsbewältigung mithelfen, und dass wir nicht nur Opfer sind, sondern vor allem auch Täter, ein Eingeständnis der Mitschuld am Holocaust", so Gander.
Vorbildwirkung Deutschland
"Vor acht oder neun Jahren rief mich der damalige Bürgermeister von Rom Walter Veltroni an. Die Idee für das Museum kam von Veltroni, er stellte ein Komitee für das Museum der Shoah auf, welches dann in eine Stiftung umgewandelt wurde", sagt Marcello Pezzetti, der Direktor des Museum der Shoah. Er orientiert sich am Konzept der Vergangenheitsbewältigung, welches der Staat Deutschland verwirklicht hat. Pezzetti will die italienische Irrmeinung, nie Gewalt angetan, nur Gewalt erlitten zu haben, aufzeigen. Die italienische Regierung führte Rassengesetze ein, unabhängig von anderen Regierungen, betont der Direktor: "Die Shoah war ein europäisches Phänomen. Italien hat kollaboriert, antisemitische Gesetze erlassen und ein System von Lagern gemacht."
Ende des Jahres 1943 begann die italienische Regierung damit, Juden zu deportieren. Den Krieg hatte sie zu diesem Zeitpunkt bereits verloren. Um Verantwortung zu übernehmen, muss Italien seine Geschichte kennenlernen. Italien ist ein Land der jüdischen Diaspora, sagt Marcello Pezzetti, es hat eine eigene Geschichte, auch in Hinblick auf die Shoah.
Mussolinis Villa als möglicher Standort
Die Stadt Rom, die Provinz Rom und die Region Latium finanzieren die Arbeit der Shoah-Stiftung. Die jüdische Kultusgemeinde Rom ist in alle Gremien mit einbezogen, doch die Finanzierung muss von Seiten öffentlicher Einrichtungen kommen, meint Pezzetti, der das Museum der Shoah gerne in der Villa Torlonia sähe, der ehemaligen Residenz des faschistischen Staatsoberhauptes Benito Mussolini. Auch andere Standorte sind im Gespräch, bereits existierende Gebäude, die adaptiert würden. Jedenfalls soll es kein altmodisches Museum sein, aber auch nicht hypertechnologisiert.
Ein Ort, an dem gearbeitet wird
"Ein Museum der Shoah ist nicht das Gebäude an sich - Architekten glauben an eine Monumentalisierung. Wir aber sind gegen die Monumentalisierung der Shoah. Ein Museum der Shoah ist ein Ort, wo gearbeitet wird, wo junge Leute arbeiten. Es ist ein Ort für die Schulen, für die Universitäten und für Gelehrte, die hier Archive vorfinden, wo sie forschen können", sagt der Direktor. Das Museum ist mit fünfzehn Mitarbeitern bereits operativ. Kurse, Konferenzen, Reisen und eine Bibliothek und ein Archiv werden von der interessierten Öffentlichkeit in Anspruch genommen. Jetzt fehlt nur noch der Ausstellungsbereich.