Tocotronic: Hamburg-Pop in der Arena

Neben Bands wie „Die Goldenen Zitronen“ oder „Blumfeld“ war „Tocotronic“ Mitte der 90er Jahre die späte Speerspitze der sogenannten „Hamburger Schule“. Jene Pop-Bands aus Hamburg haben linke Gesellschaftskritik und widerständigen Humor lieber gleich in ihre deutsche Muttersprache verpackt, als auf Englisch zu singen. Vor zwei Jahren haben „Tocotronic“ im Wiener Burgtheater die Mauern zwischen Hoch - und Popkultur niedergerissen und ein Konzert gespielt. Morgen Abend präsentieren „Tocotronic“ in der Wiener Arena ihr mittlerweile elftes Album.

Mittagsjournal, 18.7.2015

Tocotronic-Sänger und Gitarrist Dirk von Lowtzow - ein Porträt,

Dirk von Lowtzow

Dirk von Lowtzow bei der Arbeit.

APA/HERBERT P. OCZERET

Dreizehn Songs über die Liebe versammelt das letzte, das sogenannte „Rote Album“ von Tocotronic. Bei Frontmann Dirk von Lowtzow beginnt und endet die Liebe nicht in heterosexueller Zweisamkeit. Weniger laut, weniger trotzig als im rauen Tocotronic- Frühwerk verhandelt Lowtzow nun Herzensangelegenheiten, doch immer nüchtern, um Distanz bemüht, „um nicht ins Schleimige abzudriften“.

In den neuen Tocotronic-Liedern wie "Date mit Dirk" denkt der Sänger selbstironisch über ein Rendez-Vous mit sich selbst nach. In „Solidarität“ etwa prangert er die Ignoranz Flüchtlingen gegenüber an.

Oft als „Einser-Schüler des Pops“ bezeichnet, steht der Lowtzow wie und je für Diskurs-Pop vom Feinsten. Seine Parole sind geistreich um die Ecke gedacht sind - und auch schon einmal unterfüttert mit französischer Poesie und Theorie etwa von Gilles Deleuze oder Jaques Derrida: „Mir wäre nichts ferner, als Klartext zu reden. Das ist der direkte Weg zur Pegida.“

Auf den Popstar reduziert zu werden, das war von Lowtzow nie genug: Er ist Autor und im Beirat der renommierten Zeitschrift „Texte zur Kunst“. Dieses Jahr hat Dirk von Lowtzow eine Oper der anderen Art für den Theaterregisseur René Pollesch geschrieben. Unter dem kuriosen Titel „Von einem der auszog, weil er sich die Miete nicht mehr leisten konnte“ hatte das Stück im März an der Berliner Volksbühne Premiere.