Neue Ära in Kuba

Das so lange Undenkbare ist passiert - Kuba und die USA haben wieder diplomatische Beziehungen, die Botschaft der USA wird heute offiziell in Havanna wiedereröffnet, nach mehr als 50 Jahren politischer Eiszeit. Die Kubaner freut es - sie erhoffen sich mehr Touristen, mehr Freiheiten, ein offeneres Land. Und es tut sich auch Einiges in Richtung Modernität.

Menschen auf der Straße in Kuba

ORF/VERENA GLEITSMANN

Mittagsjournal, 14.8.2015

Aus Havanna,

Es ist auffallend ruhig wenn man dieser Tage über die belebte Straße La Rampa in Havana geht – Hunderte sitzen hier, aneinandergedrängt unter Bäumen, auf engen Stufen, auf jedem freien Plätzchen – und starren in ihre Handys: Denn auf La Rampa gibt es neuerdings Internet. Und viele Kubaner sind das allererste Mal im Weltweiten Netz: "Hallo? Hörst du mich?", schreit eine Frau in ihr Telefon, aus dem ihre Tochter in Miami lacht. "Das ist nicht einfach", lacht ein alter Mann und schaut auf sein auseinanderfallendes Handy: "Ich mach das zum allerersten Mal – ich kenn' mich noch gar nicht aus, das ist verrückt."

Raul hat schon mehr Erfahrung. Er ist jeden Tag hier und heute der Held seiner Freunde, die ihm zu dritt über die Schulter schauen, als er ihnen erklärt, wie man den Hotspot nützt. Den Zugangscode gibt es in Form kleiner Karten zu kaufen, entweder in den staatlich betriebenen Kiosk-Ständen oder gleich vor Ort – am Schwarzmarkt.

Eine Stunde Internet kostet zwei kubanische Pesos. Für viele Kubaner ist das ein Zehntel ihres monatlichen Einkommens, aber das ist es ihnen wert: "Ich fühle mich wie ein kleines Kind", strahlt der 32-jährige Racel. "Das ist ein Blick in die Zukunft - mein ganzes Leben war ich abgeschnitten von der Welt und jetzt habe ich auf Facebook-Freunde in Holland, in Mexiko, in Kanada!"

So wie auf La Rampa, gibt es in Kuba mittlerweile eine ganze Handvoll an Internet-Hotspots und die Kubaner strömen in Massen hin. Bis zu 10.000 pro Tag wird gemunkelt. Ein Riesengeschäft also für die Regierung: Es ist völlig verrückt – alle wollen es ausprobieren, sagt Felipmarco. Während in allen anderen Ländern der Welt jedes Kind weiß was es zu tun hat, lernen wir es erst jetzt langsam zu nützen!

In einem Land, in dem weniger als 5 Prozent der Haushalte Zugang zu Internet haben sind die öffentlichen Hotspots eine Sensation – aber schon davor haben einige Kubaner mit viel Fantasie Wege gefunden, um an ihre heißgeliebten Telenovelas, an US-Filme oder Musik zu kommen.
Mit geheimen Antennen und über die Dächer gespannten Ethernetkabeln oder per Lieferung nach Hause. El Paquete, heißt das System, das man wöchentlich abonnieren kann – und für einen Peso pro Woche auf einem Datenträger nach Hause geliefert bekommt: "Es gibt eine Nummer, die ruft man an und sagt, man hätte gerne das Paket", erklärt Michel, einer von hunderten Abonnenten. "Sie fragen dich nach deiner Adresse, und dann kommt ein Typ mit einer Festplatte und spielt dir eine Auswahl an Dingen auf deinen Computer; zum Beispiel die neuesten Folgen der US-Serie CSI oder die neuesten Popsongs von Taylor Swift."

Internet auf zwei Beinen also und bis vor kurzem der einzige Weg um etwas von außen mitzubekommen. Bis jetzt: "Jetzt könne wir auf Facebook Freundschaften schließen und Googeln – das ist super", freut sich Lucia. "Auch wenn immer noch viele Seiten gesperrt sind – alles können wir nicht machen."

Trotzdem: diese Technologie ist ein Wahnsinn – staunt Racel ehe er sich wieder über sein Handy beugt und "Hey", fügt er noch stolz hinzu: "Wenn du mich finden willst – ich bin jetzt auf Facebook!"