Texte von Frank Schirrmacher

Ungeheuerliche Neuigkeiten

Ein Jahr nach dem unerwarteten Tod des Feuilletonchefs der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ist unter dem Titel "Ungeheuerliche Neuigkeiten" ein Band mit gesammelten Artikeln erschienen. Sie zeigen die Entwicklung der Themen und des Schreiben jenes Mannes, der von manchen als "der wirkmächtigste Kulturjournalist Deutschlands" bezeichnet wurde.

Kontext, 21.8.2015

"Auch wenn manche der Texte etwas Vorkenntnis erfordern, sind die meisten gut zu lesen, stilistisch schön und interessant in ihrer Perspektive, die immer über Tagesaktualität hinausgeht."

Als vor rund einem Jahr der Feuilletonchef und Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Frank Schirrmacher, unerwartet im Alter von 54 Jahren an einem Herzinfarkt verstarb, waren die Zeitungen voll mit betroffenen Nachrufen.

Schirrmacher galt als Zauberkünstler des Feuilletons, denn es gelang ihm immer wieder, über den Kulturteil der Zeitung politische Debatten anzustoßen, womit er auch das Gesicht seiner ehrwürdigen, liberal-konservativen Frankfurter Allgemeinen veränderte. Über den Kreis der bildungsbürgerlichen Leserschaft hinaus wandte sich Schirrmacher in populären Büchern wie "Payback", "Das Methusalem-Komplott" oder "Ego – Das Spiel des Lebens" auch an ein breites Publikum.

Auf der Suche nach der tieferen Bedeutung

"Das Feuilleton ist kein Gefäß, es ist Energie, nicht romantisches Gefühl, sondern romantische Produktivität." Das schreibt Frank Schirrmacher in einem seiner Texte über einen Kollegen. Aber der Satz passt perfekt auch auf seinen eigenen Schaffensimpuls: das Feuilleton ist Energie.

Der Name Frank Schirrmacher stand und steht für ein Feuilleton, dem es nicht darum geht, kulturelle Ereignisse bloß zu beschreiben oder zu rezensieren, sondern im Kulturellen das Politische aufzusuchen und umgekehrt im Politischen die kulturell-gesellschaftliche Dimension sichtbar zu machen. Alle Texte im vorliegenden Band zeugen von dieser Suche nach der tieferen Bedeutung, und vielleicht ist es Schirrmachers Ausbildung als Germanist geschuldet, dass hier viel interpretiert wird.

Es gibt keinen Text, der nicht versuchte, eine starke These aufzustellen – egal, ob es sich um den Tod des Astronauten Neil Armstrong handelt, um die Feiern zur Jahrtausendwende, die Erschießung Osama Bin Ladens oder die Rechtschreibreform. Als nach dem Ausbruch eines isländischen Vulkans 2010 der europäische Flugverkehr stillstand, unter anderem, weil Computersimulationen eine Gefährdung durch die Aschewolke berechnet hatten, fällt Schirrmacher Folgendes dazu ein:

Lehrstück in Sachen Debatten-Feuilleton

Die Textsammlung "Ungeheuerliche Neuigkeiten", die vom Publizisten Jakob Augstein zusammengestellt und herausgegeben wurde, ist ein Lehrstück über deutsches Debatten-Feuilleton. Die Texte lassen sich auch als ein Portrait des Journalisten Frank Schirrmacher lesen, der als hyperproduktiver Romantiker an die Macht des großen Wortes glaubte – und an große Männer.

Denn auch das zeigt die Textauswahl deutlich: das hohe deutsche Feuilleton ist immer noch ein Männerspiel. Das Register zählt 16 Frauen- im Vergleich zu rund 350 Männernamen. Ganz so traurig muss man vielleicht dann doch nicht sein, wenn die Schirrmacher-typische Form des Feuilletons in Österreich keine Entsprechung findet.

Service

Frank Schirrmacher, Jakob Augstein (Hrsg.),
"Ungeheuerliche Neuigkeiten: Texte aus den Jahren 1990 bis 2014", Blessing Verlag