Die Geschichte der Traumforschung

Wie wir träumen

In seinem neuen Buch "Wie wir träumen" beschreibt Douwe Draaisma, Professor für Psychologie an der Universität Groningen, die ganze Geschichte der Traumforschung. Anstoß für die Recherche war die Frage einer Bekannten, wie blinde Menschen eigentlich träumen. Warum wir vom Fallen träumen und wie es sein kann, dass wir träumen und gleichzeitig wissen, dass wir träumen?

Kontext, 21.8.2015

Der Autor Douwe Draaisma träumt selten. Zumindest kann er sich nicht oft daran erinnern. "Mein eigenes Traumleben ist so gut wie nicht vorhanden", schreibt der Niederländer und damit ist er nicht alleine. Weniger als vier von zehntausend Menschen erinnern sich auch zu physiologisch optimalen Weckmomenten nicht an einen Traum, obwohl laut Forschern nahezu alle Menschen träumen.

Den einfachsten Zugang zum Träumen bietet der REM-Schlaf, schreibt Draaisma. REM steht für Rapid Eye Movement. In dieser Schlafphase schießen unsere Augen wild hin und her, alle Muskelspannung ist gewichen und es herrscht die intensivste neuronale Aktivität. Werden wir in der REM-Phase aufgeweckt, ist die Wahrscheinlichkeit am größten, dass wir uns an das geträumte Erinnern. Der REM-Schlaf wurde bereits 1953 in einem Schlaflabor in Chicago entdeckt: Während der 1960er Jahre glaubte man, Träume träten nur während des REM-Schlafs auf, mittlerweile weiß man, dass auch im Non-REM-Schlaf Traumbilder entstehen.

Sigmund Freuds Traumdeutung, Ludwig Wittgensteins Traumbilder, Studien mit Schlaflaboratorien und Traumtagebüchern, oder der luzide Traum vom niederländischen Psychiater Frederik van Eeden - Douwe Draaisma trägt viele Theorien und Experimente aus der Traumforschung zusammen. Ein Kapitel widmet er dem luziden Traum, also jenen Träumen, in denen wir wissen, dass wir träumen. Klarträume scheinen uns Zugang zu Erinnerungen zu verschaffen, die im Alltag nur schwer aufzurufen sind, schreibt Draaisma. Beispielsweise wenn der Träumende Familienmitgliedern oder Freunden begegnet, die noch so aussehen wie früher. Klarträume hinterlassen häufig schärfere Erinnerungen als normale Träume.

An Klarträume erinnere man sich sofort nach dem Aufwachen, schreibt Draaisma. Und Menschen, die oft luzide träumen, haben auch verhältnismäßig häufig Albträume, die man sich ebenfalls besser merkt. Auch nicht besonders angenehm sind die Träume vom Fallen, die man oft schon kurz nach dem Einschlafen hat, beschreibt Draaisma: Während man in Richtung Tiefschlaf gleitet, tritt oft eine Szene ein, in der man plötzlich daneben tritt oder der Fuß versackt, dann bewegen wir reflexartig ein Bein, um den Fall aufzuhalten - und meistens schreckt man dabei auf. Träume wie diese sind eigentlich Weckträume.

Nicht immer sind die Erklärungen so einfach. Zur Frage, ob blinde Menschen in Bildern träumen, kann auch Douwe Draaisma keine eindeutige Antwort geben. Kinder, die vor dem fünften Lebensjahr erblindeten, haben laut Untersuchungen keine Bilder im Traum. Kinder, die nach ihrem siebten Lebensjahr erblinden, behalten die Fähigkeit in Bildern zu träumen, schreibt Draaisma. Aufsehen erregte 2003 eine portugiesische Studie, derzufolge der visuelle Kortex von Blinden Bilder erzeugen könne, auch wenn dieser Teil ihres Gehirns noch nie mit visuellen Reizen gefüttert wurde. Denn die Analyse des EEG verwies bei den blinden Träumern auf Aktivitäten in denselben Bereichen im Gehirn, die aktiv sind, wenn sich sehende Menschen visuelle Vorstellungen machen, beschreibt Draaisma und kontert:

Wie wir die Zeit in Träumen wahrnehmen, von Prüfungsträumen, prophetischen und erotischen Träume und über die oft seltsamen Stimmungen, die Träume bei uns bis in den Tag hinein hinterlassen oder auslösen: Douwe Draaisma wirft viele Fragen zu unserem Nachtleben auf, von dem wir selbst oft gar nicht so viel mitbekommen.

Service

Douwe Draaisma, "Wie wir träumen", Verlag Galiani Berlin