Kurzessay zu Markus 7, 1 – 8. 14 – 15. 21 – 23

„Schmutzige“ oder „saubere“ Hände. Der Schatz an damit in Zusammenhang stehenden Redewendungen ist reich: Ein Mensch von Ehre und Anstand etwa „macht sich die Hände nicht schmutzig“.

Um zu unterstreichen, dass man an einer üblen Sache keine Mitverantwortung trägt, „wäscht man seine Hände in Unschuld“. Und umgekehrt haben nicht nur handgreifliche Gewalttäter, sondern oft auch bloße „Schreibtischtäter“ „Blut an ihren Händen“.

Das Problem – und das dürfte zumindest den äußeren Anlass gegeben haben zu jenem Streit Jesu mit den Pharisäern, von dem das Evangelium berichtet: Diese trefflichen Metaphern tauschten ihre ursprünglich nur symbolische Bedeutung gegen eine tatsächliche ein: Mit einem Mal also galt vieles, woran man sich tatsächlich die Hände schmutzig machen konnte, als unrein und übel auch im moralischen, bzw. im religiös-kultischen Sinn – also etwa gewisse Arbeiten in Handwerk und Landwirtschaft. Diese Entwicklung entlarvt Jesus als blanken Unsinn und Irrtum: Nichts, was von außen an den Menschen herankommt, kann ihn wirklich korrumpieren.

Dennoch hat das Jesus-Wort wenig auszurichten vermocht gegen eine weit verbreitete Moraltradition: Wenn man sich wo die Hände auch nur schmutzig machen könnte (im moralischen Sinn), dann sei es zur Bewahrung moralischer Integrität doch gleich besser, solche Lebensbereiche und Tätigkeiten überhaupt zu meiden – so haben viele Moralapostel und Volkserzieher gelehrt. Der bloßen Gefahr moralischer Verunreinigung sei am besten zu begegnen, indem man sich ihr gar nicht erst aussetzt. Also Hände weg etwa von politischem Interessenhandel oder unternehmerischem Risiko! Aber ist eine solche „Weiße Westen“-Moral wirklich tauglich und also tugendhaft?

„Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, ...“ Der Kernsatz des vorhin gehörten Evangeliums lässt sich jedenfalls auch so deuten: Gerade jene Lebensbereiche, in denen die Gefahr moralischer Korrumpierung und die Möglichkeit irreversibler Schäden am größten ist – also etwa in Politik und Wirtschaft – gerade hier braucht es doch moralisch integre Menschen mit der Courage, sich einzumischen ins Spiel divergierender Interessen. Ob sie dieses Spiel mit ebenso reinen Händen wieder verlassen können, mit denen sie sich darauf eingelassen haben – das ist eine andere Frage. Aber nach den Worten Jesu macht ja v.a. schmutzig, was im Menschen wohnt und ihn bewegt; und damit hat er ja wohl nicht den Mut gemeint, sich einzusetzen und ins Spiel zu bringen, sondern gewiss eher Faul- oder Feigheit. Ebenso wenig macht der Gebrauch von Macht an sich schon schmutzig, sondern nur ihr Missbrauch, nicht der redliche Einsatz von Talent, Wissen und Kraft, sondern deren Indienstnahme durch Habgier, Eitelkeit und Selbstsucht. Christliche Moral erhebt also nicht die persönliche Risiko-Vermeidung selbst schon zum moralischen Gut; sie will vielmehr ermutigen zum couragierten Handeln für eine gute Sache – selbst auf die Gefahr hin, sich dabei die Hände schmutzig zu machen – sei es nun im wörtlichen oder übertragenen Sinn.