Regisseur Alvis Hermanis im Porträt

Alvis Hermanis gehört heute wohl zu den international gefragtesten Bühnenkünstlern. Demnächst wird er in Bayreuth und an der Wiener Staatsoper inszenieren. Seine ungewöhnliche Sicht auf Verdis "Trovatore" war heuer zum zweiten Mal bei den Salzburger Festspielen zu sehen, aber auch im Sprechtheater ist er überall gefragt, etwa am Wiener Burgtheater, wo er schon mehrfach Regie geführt hat und dies nun wieder getan hat: für die Eröffnungspremiere des Hauses, Gogols "Revisor".

Kulturjournal, 3.9.2015

Same Same But Different

Hermanis ist ein stiller, schüchtern wirkender, nachdenklicher Zeitgenosse. Wenn man ihn trifft, hat er nichts Theatralisches oder Bestimmendes an sich, wie so viele seiner Regiekollegen. Er dringt auf ganz altmodische Weise in Theaterstücke und Opern ein. Lässt sich vom Text oder von der Musik inspirieren und entwickelt dann Ideen, die er mit den Bühnenkünstlern und -künstlerinnen gemeinschaftlich umsetzt. So war das auch bei seiner Inszenierung des "Revisors" in Riga, vor mehr als zehn Jahren. Die machte ihn mit einem Schlag bekannt, weil er sie beim Young Directors Project der Salzburger Festspiele zeigte. Viele Ideen von damals kann man auch bei der Arbeit am Burgtheater wieder erkennen. Solch ein zweites Mal sei für ihn oft besonders reizvoll, bekennt Hermanis im Ö1 Gespräch.

Jetzt hat der Regisseur den Revisor zum ersten Mal auf deutsch inszeniert. Er versteht die Sprache gut, will sie im Interview aber lieber nicht sprechen. Die Kommunikation mit dem Ensemble des Burgtheaters, darunter Michael Maertens, Fabian Krüger und Maria Happel funktioniert auf diese Weise gut. Für Hermanis sind die Schauspieler und Schauspielerinnen, ihre Persönlichkeit das Zentrum des Theaters und das Burgtheater habe die besten in der Welt, streut er seinem Team Rosen.

Zweite Heimat Salzburg

In Salzburg hat Hermanis im Sommer seine Inszenierung des "Trovatore" wiederaufgenommen, mit anderer Besetzung und anderem Dirigenten, die Chemie war eine ganz andere, das sei auch dasselbe beim "Revisor".

Salzburg ist nach sieben Saisonen für Hermanis inzwischen eine zweite Heimat. Seine Inszenierung von Zimmermanns "Die Soldaten" war ein Ereignis und wurde jetzt auch mit großem Erfolg an der Mailänder Scala gezeigt. Im nächsten Jahr wird Hermanis in Salzburg "Die Liebe der Danae " mit Franz Welser-Möst am Pult inszenieren. Auch Bayreuth und die Wiener Staatsoper rufen. Dort macht er "Lohengrin", in Wien "Parsifal". Hermanis liebte diese Opern, weil sie romantisch seien wie er.

Theater und Katharsis

Aber Hermanis ist nicht nur eine romantische, sondern auch eine spirituell denkende Persönlichkeit. Theater sei ein gefährliches Geschäft, es gebe keine Tabus. Diese Energien der Grenzübertretung können das private Leben besetzen, da man müsse sehr aufpassen, am Ende einer Aufführung gelte es jedenfalls aufzuräumen, um das Publikum nicht mit all dem Dreck zurücklassen. Hermanis folgt darin ganz dem antiken Konzept der Katharsis, jener Reinigung, die schon in der griechischen Tragödie vom Gemeinschaftserlebnis verlangt wurde.

Textfassung: Joseph Schimmer