EU: Juncker-Appell zur Flüchtlings-Aufnahme

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat bei seiner Grundsatzrede vor dem Europäischen Parlament in Straßburg am Mittwoch wie erwartet die Verteilung von 160.000 über Griechenland, Ungarn und Italien eingereisten Flüchtlingen auf die EU-Staaten gefordert. Aktuell sei "die EU in keinem guten Zustand", klagte Juncker eingangs. "Es fehlt an Europa und es fehlt an Union - Das muss sich ändern!"

Jean-Claude Juncker

APA/EPA/PATRICK SEEGER

Mittagsjournal, 9.9.2015

Aus Straßburg,

Zu einer gar nicht leichten Tour d'Horizon vor dem EU-Parlament in Brüssel ist Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Vormittag angetreten, zu einer ersten Rede zur Lage der EU. Einen Spagat zwischen Klarheit und Diplomatie hat er gar nicht erst versucht, sondern gleich Klartext geredet. Weder Europa noch Union derzeit, klagte er an und zur Flüchtlingskrise hatte Juncker die unverhüllte Forderung nach Umverteilung von 160.000 und einer Reform der realitätsfernen Dublin-Regeln.

Appell zur Aufnahmebereitschaft

Jean Claude Juncker im schwarzen Anzug, seine Mutter ist gestern verstorben, trotzdem will er sprechen und zwar Klartext. Die Lage der Europäischen Union bezeichnet der EU-Kommissionspräsident als nicht gut. Es herrsche kein Normalbetrieb. Gefragt sei mutiges Handeln. Europa, dessen Geschichte von Flucht und Betreibung geprägt sei, stehe vor einem Moment der Wahrheit.

Und Juncker ruft Europa zur Ehrlichkeit auf, was die Proportionen der Asylansuchen betrifft mit einem Anteil von nur 0,11 Prozent an der Gesamtbevölkerung.

Im Libanon sind 25 Prozent der Bevölkerung Flüchtlinge, in einem Land, das nur ein Fünftel des europäischen Wohlstands hat, wer sind wir, dass wir diese Vergleiche nie machen.

Damit kommt der EU-Kommissionspräsident zu den konkreten Vorschlägen der Kommission. Die Aufteilung von weiteren 120.000 Schutzsuchenden auf ganz Europa und zwar verpflichtend. Gemeinsam mit den 450.000 ergebe das 160.000 Menschen, für die die Europa Verantwortung übernehmen müsse. Er hoffe, dass alle mitmachen würden, so Juncker.

Von zuletzt kursierenden Berichten über Sanktionen oder Solidaritätsabschlägen, um etwa osteuropäischen Staaten, die nicht mitmachen wollen, an Bord zu holen, ist nicht die Rede:
Sich von armen und hilflosen Menschen abzuwenden, das ist nicht Europa. Europa, das sind die Studenten am Münchener Bahnhof, die die Flüchtlinge willkommen heißen.

Neu ist die Forderung des Kommissionspräsidenten, dass Asylwerber künftig "vom ersten Tag an" eine Arbeitserlaubnis haben sollten.

Wie erwartet will die EU-Kommission die Balkanstaaten zu sicheren Drittstaaten erklären lassen, neu ist, dass Juncker das mit dem EU-Kandidatenstatus verknüpfen will. Gleichzeitig sollten die Kontrollen der EU-Außengrenzen verstärkt werden, das sei teuer aber machbar. Die Reisefreiheit im Schengenraum dürfe unter seiner Führung auf keinen Fall abgeschafft werden.

Juncker verweist in seiner Rede auch darauf, dass es bereits bestehende Regeln und Mindeststandards für die EU-Asylpolitik gebe, die Kommission werde ihre Einhaltung und Umsetzung überwachen und wenn notwendig Vertragsverletzungsverfahren einleiten.

Im zweiten Teil seiner Rede geht Juncker auf französisch auf die Griechenland- und die Ukrainekrise ein. Mit einem Hauch von Optimismus beendet der EU-Kommissionspräsident seine Rede: Lassen wir die Schultern nicht hängen, machen wir weiter.