Neuer Bildband würdigt Wiener Funkhaus
Argentinierstraße 30a: Diese Adresse ist den Radiohörern ein Begriff. Hier befindet sich das ORF Funkhaus, einer der kulturellen Brennpunkte des Landes. Heimat von Ö1, FM4 und des Landesstudios Wien, aber auch Spielstätte des Radio-Symphonieorchesters.
8. April 2017, 21:58
Kulturjournal, 10.9.2015
Im Großen Sendesaal wurde Radiogeschichte geschrieben: Vertreter der Hochkultur wie Nikolaus Harnoncourt oder Friedrich Gulda sind hier ebenso aufgetreten wie Nick Cave oder Patti Smith. Bis heute ist das Funkhaus lebendiger Arbeitsort "am Puls der Stadt", Kreativzentrum und Kulturtreffpunkt in einem.
Der denkmalgeschützte Bau gilt als Juwel der Zwischenkriegszeit. Ab 1935 nach Plänen von Clemens Holzmeister erbaut, Ende der 70- er Jahre, Anfang der 80-er Jahre von Gustav Peichl erweitert. Den Zauber, den dieser Ort ausstrahlt, hat die Architektur-Fotografin Hertha Hurnaus in zahlreichen Aufnahmen festgehalten. Und jetzt gibt es einen Bildband mit einem Essay der Architekturkritikerin Ute Woltron.
"Funkhaus Wien. Ein Juwel am Puls der Stadt" - so der Titel wurde Mittwochabend präsentiert - an Ort und Stelle, im Großen Sendesaal des Funkhauses. Viele Prominente aus Kunst und Kultur waren gekommen - und sie äußerten den Wunsch, dass dieser geschichtsträchtige Ort noch lange bestehen bleibt.
Weil die familieneigene Köchin unbedingt eine Sendung von Heinz Conrads live miterleben wollte, hat André Heller 1963 erstmals das Funkhaus betreten. Es war der Beginn einer langen gemeinsamen Geschichte: Vier Jahre später zog er mit Kollegen wie Wolfgang Kos, Hubert Gaisbauer oder Alfred Treiber in die Jugendredaktion des Radiosenders Ö3 ein. Am ersten Tag von Ö3 habe er die erste Ausgabe der "Musicbox" moderiert, erzählt der Künstler.
Anekdoten wie diese spielten für das Auratische des Funkhauses eine wesentliche Rolle, betonte Heller Mittwochabend im vollbesetzten Großen Sendesaal. Die Aura dieses Ortes festzuhalten, war auch das Ziel der Fotografin Hertha Hurnaus. Gut die Hälfte ihrer Aufnahmen vom Innenleben des Funkhauses entstand ursprünglich im Auftrag der Stadtzeitung "Falter". Die großzügige und helle Eingangshalle habe sie immer schon fasziniert, sagt Hurnaus.
Beeindruckt habe sie, dass die historischen Studios bei aller Ästhetik auch höchsten technischen Anforderungen genügen, sagt die Fotografin. Neben den Studios hat sie auch die zahlreichen Details aus dem Inneren des Funkhauses festgehalten, die man im Alltagsstress gerne übersieht: Die kunstvollen Handläufe entlegener Stiegenhäuser ebenso wie die Vielfalt der Beleuchtungskörper. Der zwischen 1935 und 1938 nach den Plänen von Clemens Holzmeister errichtete Bau weise aber auch noch andere Facetten auf, erläuterte gestern Abend Wolfgang Kos, langjähriger Radiojournalist und noch für kurze Zeit Direktor des benachbarten Wien Museums.
„Damals war es der modernste Radiobau seiner Zeit, heute ist es der Urahn aller Sendegebäude des ORF“, vermerkt die Architekturkritikerin Ute Woltron im Essay, den sie für den Bildband geschrieben hat. Das Buch soll auch ein Zeichen setzen, wie Herausgeber Peter Stuiber betont: nämlich gegen die Pläne des ORF, seinen "Urahn" zu verkaufen und alle Standorte am Küniglberg zusammenzuziehen. Appelle an die ORF-Führung durchzogen daher auch die gestrige Buchpräsentation im Großen Sendesaal.
Der Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor Karl Markovics hatte vor wenigen Tagen mit dem Vorschlag aufhorchen lassen, das Funkhaus um 60 Millionen Euro zu kaufen. Man wolle die in Österreich ausgeprägte Kultur des Weghörens und Wegsehens aufbrechen, begründete er seine Idee gestern Abend.
Eine „Liebeserklärung an das Funkhaus Wien“ sei dieser Abend, betonte Moderatorin Julia Stemberger. Da durfte freilich auch die Musik nicht fehlen: Live auf der Bühne waren der Oud-Virtuose Marwan Abado und Rapper Skero zu erleben.