Liebestest mit Algorithmen
Weiß der Computer wirklich, wer zu mir passt? Würde der Liebesalgorithmus der Online-Singlebörse denselben Partner für mich auswählen wie ich selbst?
8. April 2017, 21:58

APA/dpa-Zentralbild/Jens Kalaene
"Gleich und gleich gesellt sich gern", heißt es. Aber auch: "Gegensätze ziehen sich an." Beziehungen sind entweder harmonisch - oft ein Euphemismus für "fad" - oder leidenschaftlich – heißt: konfliktreich. Aufgrund eines unerklärlichen Bauchkribbelns wurde es bei mir Variante Zwei, also nicht die Fade.
Hätte mir der Liebesalgorithmus der Verkupplungs-Plattform Parship davon abgeraten? - frage ich mich acht Jahre zu spät. Also haben wir - getrennt voneinander – von Parship unseren Charakter analysieren lassen. ("Welche Begriffe beschreiben Eigenschaften, von denen Sie möchten, dass der Andere sie an Ihnen schätzt?"). Wir haben Gewohnheiten und Unarten abgeklärt, die die Harmonie des täglichen Lebens trüben könnten. ("Sind Sie Morgenmuffel oder Frühmensch?", "Wie muss ein Wohnraum temperiert sein, damit Sie sich richtig wohlfühlen?")
Psychospielchen haben unser Unterbewusstsein erforscht: Sind runde oder eckige Formen ästhetischer? Welchen Titel finden Sie für folgende Traumsequenz? Der Mann, der sich das ausgedacht hat, heißt Hugo Schmale, emeritierter Professor der Universität Hamburg. Seit 40 Jahren erforscht er, welche Merkmale Garant sind für eine harmonische Partnerschaft. Keine guten Karten für uns, fürchte ich. Würde Schmales Algorithmus mir, Miss Höhenangst, einen leidenschaftlichen Bergfex empfehlen? Einen, der auch im tiefsten Winter ohne Heizung schlafen möchte? Was, wenn mir der Computer klarmacht, dass in der Welt da draußen unzählige Prinzen warten, die viel besser zu mir passen? Die Fachmeinung des Liebesalgoritmus dazu lautet: 122.
Also: 122 Matching-Points. Übersetzt heißt das: Premium-Beziehungsklasse. In ganz Wien gibt es nämlich nur fünf Männer im Alter zwischen 20 und 50, die - laut Algorithmus - noch besser zu mir passen würden als der, den ich selbst gefunden habe. Das ist beruhigend. Und gleichzeitig beunruhigend: Unser ach so unerklärliches Bauchkribbel-Gefühl ist offenbar berechenbarer, als erwartet.
Beobachte ich allerdings meine Singlefreundinnen, stelle ich fest: Liebesalgorithmen waren gestern. Heute ist "Tinder". Auf dieser Handy-App hält man sich nicht mit Psychoblabla auf. Was zählt: das Profilfoto und die örtliche Entfernung. Meine Freundin Sabrina zum Beispiel wischt sich täglich durch den Männer-Katalog, vergibt innerhalb von Sekunden "Daumen hoch" oder "Daumen runter". Gut, sie selbst sieht aus wie ein Model. Doch, was ist mit Menschen, die nicht einmal auf mühevollst Photoshop-optimierten Bildern in die Nähe eines Model-Looks kommen? Wie viele meiner Verflossenen hätte ich wohl nach einem flüchtigen Blick auf ihr Profilfoto ausgewählt? Aber das kann mir jetzt egal sein. Ich sage nur: 122. Alles ist, wie es sein soll, sagt der Computer.