Die "Cafe Sonntag - Glosse" von Severin Groebner
Staatskünstler
Der Staatskünstler ist ein Schimpfwort. Keine Frage. Aber ein sehr ungenaues. Denn was genau ist denn das verachtenswerte an ihm? Der Staat oder der Künstler? Wenn es der Staat ist, muss man sich fragen, warum dann Staatsanwalt nicht auch ein Schimpfwort ist. Oder hackenstad.
23. September 2015, 12:50
Da das aber nicht der Fall ist, ist wohl der Künstler das unfeine Element. Nur: Wer ist eigentlich Künstler?
Nach dem Standardwerk "Kunsttheorie versus Frau Goldgruber" von Nicolaus Mahler ist nur der Künstler, der zenh Prozent Mehrwertsteuer verrechnen darf. Aber was soll daran herabwürdigend sein? Es muss wohl an der Kombination liegen. Staat und Kunst - so wohl die Überzeugung des Schimpfenden - sollen sich nicht vermischen. Nur leider ist das wiederum historisch nicht haltbar.
War doch der Dichterfürst Goethe nebenher Geheimrat des Fürsten in Weimar. Und auch Kaiser Leopold der I. soll in seiner Freizeit, während er auch noch Deutscher König, römischer Kaiser, König von Ungarn und Böhmen und Erzherzog von Österreich war, sehr gerne Opern komponiert haben. Eindeutiger Staatskünstler.
Und wir wissen ja alle spätestens seit Adolf Schicklgruber, dass der Weg in die Kunst nicht die schlimmste aller möglichen Varianten ist. Insofern wäre auch - aus der historischen Erfahrung heraus - ein uneingeschränkten Zugang zu allen Kunstunis dringend vonnöten. Wehret den Anfängen und mehret die Anfänger!
Denn abgesehen vom berühmtesten Postkartenmaler der Welt kann man sich durchaus vorstellen, dass so auch andere Staatenlenker und selbst ernannte Volkstribune in der Kunst besser aufgehoben gewesen wären. Sicher wäre Stalin ein wunderbar mittelmäßiger Ausdruckstänzer geworden, Mao ein unbegabter Posaunist und auch der allseits beliebte Wolfgang Schüssel hätte als Boggie Woggie-Pianist sicher gute Figur gemacht. Und sogar Berufe, die auf den ersten Blick nur einen geringen kreativen Anteil aufweisen, sind nicht immer die schlechtere Alternative. Zahntechniker beispielsweise.
Aber zurück zum Staatskünstler. Wenn dieser in seiner etaistisch-kreativen Melange das Negativbild darstellen soll, möchte man doch wissen, was wäre sein positives Gegenüber: Privatkunst? Oder Staatspolizei? Der Anarchobanker? Oder der einfache, fantasielose Privatangestellte? Man weiß es nicht.
Es handelt sich hierbei sichtlich, um den Versuch, eine Person zu verhöhnen, der man inhaltlich und künstlerisch nichts anhaben kann. Quasi eine verquerte Form höchster Anerkennung.
Und auch wenn der Staatskünstler als Beleidigung gemeint ist, wird diese spätestens durch Selbsttitulierung wirkungslos. Das ist ein bewährtes Rezept. Die "Tschuschenkapelle" heißt aus dem selben Grund so und auch die HipHopFormation "Niggers with Attitude" hat das schon so gemacht.
Insofern wartet Ihr Glossist sehnsüchtig auf die "Sozialschmarotzer-Gang", die "Gutmenschen-Combo" die "Asylbetrüger on Ice" und das "Gender-Wahnsinns-Orchester".
Letztlich sei bemerkt, dass Menschen, die "Staatskunst" grundsätzlich als verachtenswert betrachten, wohl nicht geeignet sind, politische Verantwortung zu übernehmen.