"Macbeth" auf Wiens kleinster Opernbühne

Im L.E.O., dem Letzten Erfreulichen Operntheater, hat morgen der Verdi-Klassiker in einer Kammerversion Premiere, heruntergebrochen auf ein vierköpfiges Sängerensemble und eine Pianistin.

Kulturjournal, 29.9.2015

Service

L.E.O.

Opernklassiker im intimen Rahmen

Das Orchester ist ein Klavier, die Bühne misst vielleicht fünfzehn Quadratmeter, die Sänger sind hautnah am Publikum: Das L.E.O. präsentiert Opernklassiker im intimen Rahmen. Die düstere Geschichte von Macbeth, der mordet, um seine Macht zu sichern und seinen Untergang von Hexen geweissagt bekommt, wird hier mit einfachen Mitteln erzählt: Ein Bühnenbild kann nur angedeutet werden, Szenenwechsel wie jenen vom schottischen Wald ins Schloss kündigt Theaterleiter Stefan Fleischhacker in seinen Moderationen zwischen den Arien an. Fantasie ist gefragt - Trägerin des Geschehens ist freilich die Musik.

Wo bleibt das Vergangenheitsbewusstsein?

Den Theaterleiter fasziniere, Menschen in die Vergangenheit zu holen, nachzuschauen, wie es damals war. "Weil auch nach den aktuellen Wahlen, scheint es so zu sein, als ob viele Menschen kein Vergangenheitsbewusstsein haben. Wie könnte es sein, dass eine Partei, die Ausländerhass und Grenzzäune propagiert, doppelte Stimmen zulegt?", fragt Stefan Fleischhacker. Der Chef des L.E.O., vielen auch als Kunstpfeifer bekannt, fungiert als Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner; zudem übernimmt er die Tenorpartien.

In "Macbeth" kann man ihn daher als Macduff erleben, den Lord of Fife, der Macbeth den entscheidenden Todesstoß versetzt. In seiner Figur erkennt Fleischhacker geradezu erschreckende Parallelen zu aktuellen Ereignissen: "'Ich musste meine Frau und meine Kinder zurücklassen, die wurden umgebracht. Es tut mir so leid, dass ich mein Volk nicht schützen konnte vor dem Tyrannen', sagt Macduff zu den Flüchtlingen, die an der Grenze zu England stehen."

Publikum ersetzt Chor

An die Stelle von zeitgenössischen Deutungen tritt im L.E.O. jedoch die rege Interaktion mit dem Publikum. Immer wieder darf es für den fehlenden Chor einspringen: Die Nähe zu den Künstlern in dem kleinen Theater, das einst als Backstube fungierte, macht es möglich.

"Mit primitivsten Mitteln sind wir plötzlich mitten im Geschehen", erklärt Fleischhacker. Im Fall von "Macbeth" sind es Hexen, Mörder, englische Soldaten oder der Hofstaat, in deren Rollen das Publikum schlüpfen darf. Magische Momente im Kleinen zu erzeugen, ist das Ziel jeder LEO-Produktion. Vieles entstehe durch Zufall, sagt Stefan Fleischhacker. Requisiten und Regieanweisungen gibt es fast keine, und so liegt es an den Sängerinnen und Sängern, ihren Figuren Wahrhaftigkeit einzuhauchen.

Zu erleben sind Rumen Dobrev in der Titelpartie; als Lady Macbeth gleitet Annette Fischer vom mörderischen Kalkül in den Wahnsinn. Dass das L.E.O. "Macbeth" gleichzeitig mit der Staatsoper auf die Bühne bringt, sei übrigens purer Zufall, sagt Stefan Fleischhacker. Zur morgigen Premiere habe er jedenfalls Staatsopern-Direktor Dominique Meyer eingeladen. Eine Zusage steht noch aus.