Rüdiger Safranski über moderne Zeitbewirtschaftung

Philosophie der Zeit

Der Kulturpublizist und Schriftsteller Rüdiger Safranski beschäftigt sich in seinem jüngsten Buch mit dem Phänomen der Zeit. Er behandelt verschiedenste Aspekte: Die physikalische, die existenzielle oder die heilsgeschichtliche Zeit, aber auch die gemessene, vergesellschaftete, bewirtschaftete Zeit und die Frage, warum wir uns so selbstverständlich unter ihr Regime begeben.

Kontext, 2.10.2015

Rüdiger Safranskis Ausführungen über die Zeit sind nicht durch eine einzige, große These gelenkt, sondern durch viele kleine – und lesenswert ist der Text vor allem einiger verstreuter Bemerkungen wegen, die zum Nachdenken anregen. Erhellend sind dabei gerade Safranskis Überlegungen zu dem, was die Zeit nicht ist: Zeit sei zum Beispiel niemals leer, schreibt der Autor mit Bezug auf Aristoteles.

Damit Zeit überhaupt sein kann, muss etwas geschehen, muss es Ereignisse geben, und sei es das Ticken einer Uhr. Ohne einen Inhalt, also etwas sich Veränderndes, würden wir vom Vergehen der Zeit nicht sprechen können. Zeit kann also nicht leer sein, sie ist aber an sich auch niemals knapp, sondern wird knapp nur unter Handlungsdruck, und sie kann auch nicht beschleunigt werden.

Wirklich neu ist keiner der Gedanken in Safranskis Buch. Es liest sich eher wie eine Meditation, bei der verschiedene tradierte Überlegungen zur Zeit und Zeiterfahrung wie an einem langen Faden hintereinander aufgereiht sind. Manchmal fließt das gelehrte Parlando etwas zu summierend daher, doch Safranski schöpft aus einem breiten Lesefundus und ist ein Meister des guten Zitats.

In diesem Sinn bietet er eine erbauliche Lektüre. Eine eigene These, eine wirkliche Zuspitzung aber findet sich nicht und war wohl auch nicht intendiert. Zuletzt sagt Safranski auch Interessantes zum Umgang mit der Sterblichkeit. Die Beunruhigung darüber aber will und kann er uns nicht nehmen: dass wir irgendwann aus dieser Welt verschwinden werden.

Service

Rüdiger Safranski, "Zeit. Was sie mit uns macht und was ihr aus ihr machen", Hanser Verlag