Oswald Wiener feiert 80. Geburtstag

Neben Oswald Wiener gibt es in Österreich wahrscheinlich keinen anderen Literaten, dessen Biografie so voll ist an Brüchen und Wendungen. Von einem Protagonisten der Wiener Gruppe wurde er zu einem Erforscher künstlicher Intelligenz und vom verurteilten Aktionisten zum Träger des Großen österreichischen Staatspreises für Literatur. Heute feiert Oswald Wiener seinen 80. Geburtstag. Ein Porträt dieses Außenseiters aus Überzeugung.

Morgenjournal, 5.10.2015

Gegen den politischen Zeitgeist

In der konservativen Atmosphäre der Nachkriegszeit schlug die Wiener Gruppe wie eine Granate ein. Ihr Programm waren Sprachkritik und Sprachexperiment und ihr Theoretiker war Oswald Wiener. Für die "Literarischen Cabarets " der Gruppe entwarf er in den 1950er Jahren Aktionen wie die legendär gewordene Klavierzertrümmerung. Oswald Wiener: "Die Grundidee dieser Nummer stammte von Konrad Bayer und mir und hat vorgesehen, dass Rühm und Achleitner herumtoben auf der Bühne, und dass parallel zu diesem Tornado Bayer und ich scheinbar ohne Bezug zu diesem Geschehen miteinander reden, hochphilosophisch über Heidegger und ähnliches."

Was sich heute wie ein ironischer Schelmenstreich anhört, entsprang damals einer radikalen Gegnerschaft gegen den politischen Zeitgeist. "Wir haben schon ernsthaft diskutiert damals, ob wir nicht Banken überfallen und uns mit Maschinengewehren bewaffnen sollen, im Namen der Kunst aber", sagt Oswald Bayer.

Wieners Interesse galt neben der Literatur immer auch der Wissenschaft. Bis heute fasziniert ihn der Bereich der künstlichen Intelligenz, und so war er neben seiner künstlerischen Tätigkeit auch ein Pionier in Sachen Computertechnologie. Oswald Wiener: "Noch in den 50er Jahren bestand da eine Mauer. Es hat ja keinen einzigen Computer in Österreich gegeben."

"Ich habe erwartet, dass wir verprügelt werden"

1968 war Oswald Wiener einer der Teilnehmer der Aktion "Kunst und Revolution", von der Boulevardpresse damals als "Uniferkelei" bezeichnet. "Ich habe eigentlich erwartet, dass wir verprügelt werden dort und mich deshalb schon nach einem Fluchtweg umgesehen, erinnert sich Oswald Wiener, "und weil ich nicht an die Schlüssel herankam, habe ich mir von einem Tischler Leisten anfertigen lassen, die genau unter die Türklinken passten, sodass wir die Türen hinter uns verriegeln konnten, damit unsere Verfolger nicht nachkommen."

Oswald Wiener wurde im Anschluss an die Aktion zu einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt und floh daraufhin nach Berlin, wo er sich neu erfand und zum Gastwirt wurde. Oswald Wiener: "Es war keine Kneipe, die wir dort führten, sondern ein anspruchsvolles Restaurant lange bevor es anspruchsvolle Restaurants gab. Es hat ‚Exil’ geheißen, aber diesen Namen hat auch bereits unser Wiener Künstlerclub in der Annagasse getragen. Wir waren also schon zu unserer Zeit in Österreich Exilierte."

Von Wittgenstein bis zur Utopie des Cyberspace

Seine vielfältigen Interessen, und die reichten von Wittgenstein bis zur Utopie des Cyberspace, ließ Oswald Wiener in sein Hauptwerk einfließen, den Roman "Die Verbesserung von Mitteleuropa". In den späten 60er Jahren erstmals erschienen, in einer Zeit also, als Wiener strafrechtlich verfolgt wurde, dauerte es zwanzig Jahre bis ihm dafür von staatlicher Seite die verspätete Anerkennung zu Teil wurde: 1989 bekam Wiener den Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur verliehen. Seit damals verlagerte sich der Schwerpunkt seines Schaffens aber mehr und mehr auf seine Forschungstätigkeit, die ihn bis heute nicht loslässt. Oswald Wiener: "Ich habe den großen Lebenswunsch mehr darüber zu erfahren, wie Menschen denken."

Anlässlich des 80. Geburtstags von Oswald Wiener gibt es heute Abend im Literaturhaus Graz einen Vortrag von und ein Gespräch mit dem Jubilar, das kunsthaus muerz veranstaltet von 8. bis 11. Oktober ein Symposion zu Leben und Werk Oswald Wieners.

Service

Thomas Eder, Thomas Raab (Hrsg.), "Selbstbeobachtung - Oswald Wieners Denkpsychologie", edition suhrkamp

Oswald Wiener, "Die Verbesserung von Mitteleuropa", Roman, Jung und Jung

Literaturhaus Graz
kunsthaus muerz - "Oswald Wiener: Denkpsychologie - Selbstbeobachtung". Der Eintritt ist frei.