Paris: Chagall und die Musik

Die neue Pariser Philharmonie des Stararchitekten Jean Nouvel im Kulturpark La Villette will weit mehr als ein Konzertsaal für klassische Musik sein. Derzeit überrascht sie mit der bemerkenswerten Ausstellung "Marc Chagall - der Triumph der Musik".

Fast 300 Werke aus aller Welt zeigen auf faszinierende Art und Weise, welchen Stellenwert die Musik im ausufernden Werk des mit 98 Jahren in Frankreich verstorbenen, im weißrussischen Witebsk geborenen Chagall einnimmt. Die Vielzahl musikalischer Motive in seinen Gemälden, die Bühnenbilder und Kostüme, die er für das Ballett schuf, und nicht zu vergessen das Deckengemälde der alten Pariser Garnier-Oper - eine Ausstellung , die noch bis Ende Jänner 2016 zu sehen ist.

Morgenjournal, 19.10.2015

Aus Paris,

"Die Zeichnung zum Singen bringen"

Der Rundgang beginnt mit einem einzigartigen, 15-minütigen Video, an dem man ein Jahr lang gearbeitet hat und welches das berühmte Deckengemälde der Pariser Oper zeigt - 1964 von Kulturminister Malraux in Auftrag gegeben: hochauflösbare, von einer Drone gefilmte Bilder präsentieren in einem Travelling dieses aus 14 Teilen bestehende, 220 Quadratmeter große Gemälde, dessen Motive auf ein Dutzend großer Opernwerke u.a. von Mozart, Wagner oder Mussorgski verweisen. Die Kuratorin, Ambre Gauthier: "Der Besucher wird sehen, was man sonst nie sehen kann, weil die Decke so enorm hoch ist, hier sieht man jedes kleinste Detail."

"Man muss die Zeichnung mit Farben zum singen bringen", lautete ein der Devisen Chagalls, der selbst nie ein Instrument gespielt hatte, "von Bach und Mozart höre ich den klingenden Atem, ich selbst werde zum Klang", schrieb der Meister in einem Gedicht. Ambre Gauthier: "Chagalls erste Leidenschaft war der Gesang und sein Lieblingskomponist war Mozart. Mozart war für ihn sein ganzes Leben lang die Referenz, etwa mit der "Zauberflöte", für die er Kulissen und Kostüme kreiert hat. Mozart war der Komponist, der ihn berührte und faszinierte."

Bestiarium rund um die Musik

Hier ein Pferd, das Cello spielt, dort eine Muse, die die Schalmei bläst, häufig eine Klezmer-Gruppe und immer wieder eine Violine, die in den Gemälden auftaucht, in denen die Personen zu tanzen scheinen. "Er hat von seinen ersten Bildern an bis ans Ende seines Lebens seine Gemälde gespickt mit Porträts von Geigern, mit Tieren, die Menschenköpfe haben und Violine spielen, Federvieh, das Flöte bläst, ein regelrechts Bestiarium rund um die Musik und das Musizieren", erklärt die Kuratorin.

Ein weiterer Höhepunkt der Ausstellung sind die prächtigen Kostüme, die Chagall für den "Feuervogel" und die "Zauberflöte" an der Met in New York geschaffen hatte und das enorme, 1966 geschaffene Gemälde, das im Lincoln Center hängt und dessen Titel auch dieser Ausstellung ihren Namen gegeben hat: "Triumph der Musik."

Der Pianist Mikhail Rudy, der für die Musikauswahl verantwortlich zeichnet, hatte als politischer Flüchtling Chagall noch persönlich kennengelernt: "Man muss die Malerei Chagalls nicht nur anschauen, man muss sie anhören. Wenn man sich z.B. die zahllosen Skizzen anschaut, die er für die Zauberflöte oder für den Feuervogel gemacht hat, sie sind von umwerfender Schönheit."

Die Ausstellung endet mit einer Reihe von Kulissen, die Chagall in den 1920er Jahren für das Theater der jüdischen Kunst in Moskau kreiert hatte - eine Hymne auf den Tanz, die Musik und die jüdische Kultur - Arbeiten die 50 Jahre lang verschwunden geblieben waren und so den Stalinismus überlebt hatten, erst in den 1970er Jahren in der Tretjakow-Galerie wieder aufgetaucht waren.