Dokumentarfilm "Iraqi Odyssey"

Im Alter von sechs Jahren ist der Filmregisseur Samir 1961 mit seiner Familie aus dem Irak in die Schweiz gekommen, wo der heute 60-Jährige seither lebt. Die bewegte Geschichte seines Heimatlandes hat ihn nie losgelassen, nicht zuletzt, weil er das Fluchtschicksal mit anderen Familienmitgliedern teilt. Das war auch der Ausgangspunkt für den Dokumentarfilm "Iraqi Odyssey", in dem Samir die vielen Parallelen und Überschneidungen der Geschichte seiner Familie und seines Landes aufarbeitet.

Morgenjournal, 20.10.2015

Tante Samira in Auckland, Onkel Sabah in London, Cousin Jamal in Moskau und Cousine Tanya in den USA. Seit Jahrzehnten ist die Familie des aus dem Irak stammenden Filmemachers Samir über den Globus verstreut. Der Grund: die Flucht vor politischen Umbrüchen im Irak und den damit verbundenen Repressionen, denn zahlreiche Familienmitglieder sympathisierten mit den Kommunisten. Für Samir war die Arbeit an seinem Film also mehr als nur eine Geschichtsstunde: "Andere Leute legen sich ein paar Jahre lang auf die Couch beim Psychoanalytiker, ich habe halt diesen Film gemacht."

Bagdad als weltoffene Stadt

"Iraqui Odyssey", der Titel verdeutlicht die Absicht des Films, die komplexen politischen und gesellschaftlichen Vorgänge im Irak über die Jahrzehnte hinweg nachvollziehbar zu machen. Zentral dabei: die 1950er und 60er Jahre, eine Periode, in der sich Bagdad als kulturell weltoffene Stadt präsentierte, in der ein Glaube an Aufbruch und Fortschritt herrschte. Da wundert sich im Film zum Beispiel der Kommentator eines BBC-Berichts über die Gleichstellung von Männer und Frauen in Sachen Berufswahl. Dass alles anders kam, dass sich der Irak schließlich in eine Diktatur unter dem jahrzehntelangen Regime von Saddam Hussein verwandelte, dafür sieht Samir eine Ursache, die weit zurückliegt: "Ohne Öl wäre der Irak wahrscheinlich die Schweiz des Nahen Ostens geworden. Aber leider wurde 1914 das Öl entdeckt und dann folgte gleich der Erste Weltkrieg, und seither ging es endlos so weiter."

Vertreibung der Mittelklasse

Viele Exiliraker hätten den Film positiv aufgenommen, weil er genau ihre Geschichte erzähle, so Samir über das Feedback, das er bekommen hat. "Damit meinten sie natürlich die säkulare Geschichte der Mittelklasse, die vertrieben wurde, also genau das Gleiche, was jetzt mit Syrien passiert." Neben zahlreichen Originalfilmdokumenten kommt Samirs eingangs erwähnte Verwandtschaft ausführlich zu Wort, längst gut integriert in den jeweiligen Gastländern.

Die Hoffnung nicht aufgeben

Sachlich führt Samir selbst als Erzähler durch den Film, emotional wird es aber im Epilog, als die Familie in der Schweiz zusammenkommt, um sich den fertigen Film gemeinsam anzusehen. Zurück in den Irak will kaum jemand, aber die Hoffnung aufgeben soll man auch nicht, wie Cousin Jamal im Film beharrlich vertritt. Eine Hoffnung, die auch Samir teilt. Aufmerksam verfolgt er die Entwicklung. Seit zwei Monaten, so erzählt er, gäbe es Massenproteste im Irak gegen den Staat, gegen Korruption und für ein Zurückdrängen des religiösen Einflusses: "Das sind natürlich keine Ungläubigen auf der Straße, sondern sie wollen nicht mehr, dass die Religion in ihren politischen Alltag eingreift."

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Iraqui Odyssey