Roman von Alban Nikolai Herbst
Traumschiff
Zuletzt kommt der Tod. Das ist die unumstößliche Regel im Leben. Dass das Sterben eine Reise auf dem Boot über den Fluss hin zum anderen Ufer ist, gehört zu den ältesten Topoi der Literatur. Der deutsche Schriftsteller Alban Nikolai Herbst erweitert in seinem Roman "Traumschiff" den Fluss zum Meer und das Boot zum Kreuzfahrtschiff.
8. April 2017, 21:58
Christa Nebenführ
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Alban Nikolai Herbst, "Traumschiff", Roman, Mare Verlag
Zitat
Lange habe ich gedacht, dass wir einander erkennen. Aber das stimmt nicht. Wir verstehen uns nur. Dennoch lehne ich stets an der Reling des Promenadendecks, wenn die Reisegäste das Traumschiff verlassen. Und wenn die neuen eingeschifft werden, sehe ich mir jeden Menschen sehr genau an. Wie er seine Füße auf die Gangway setzt, zum Beispiel, ob fest, ob unsicher. Ob er sich am Geländer festhält.
Viele sind krank. Andere können nicht mehr richtig gehen und stützen sich auf rollbare Hilfen.
Ich möchte wissen, ob jemand das Bewusstsein schon mitbringt.
Ich habe es seit Barcelona. Das liegt lange zurück.
So beginnt der Stream of Consciousness, in dem der Roman verfasst ist. Der Protagonist Gregor Lanmeister richtet seine Aufmerksamkeit vornehmlich darauf, welche Passagiere zu jenen gehören, die das "Bewusstsein" haben. Das Bewusstsein mit dem Wissen um die eigene Sterblichkeit oder den nahen Tod zu umschreiben, würde aber zu kurz fassen. Es ist eine beneidenswerte Leichtigkeit und Abgeklärtheit, die sich im Lauf der Handlung immer deutlicher entfaltet und auf die Lesenden überspringt.
Vorerst aber geht es Gregor Lanmeister nur darum, herauszufinden, welche der 450 Reisenden zur Gruppe der Todkranken gehören und die gebuchte Stecke bis zu ihrem "Fortgang" ohne Aufzahlung wieder und wieder abfahren dürfen.