Haus Tugendhat - Architektur-Ikone auf Wanderschaft

Die Villa Tugendhat, 1929/30 von Mies van der Rohe in Brünn errichtet, zählt zu den wichtigsten Bauten der Zwischenkriegszeit. Eine Wanderausstellung, die bereits mit großem Erfolg in London, New York und Rotterdam gezeigt wurde, ist jetzt im Wiener MAK zu sehen.

Kulturjournal, 20.10.2015

Das Haus Tugendhat in Brünn ist eine Ikone der modernen Architektur. Errichtet von Architekt Mies van der Rohe in den Jahren 1929/1930 spiegelt es den weltoffenen, großbürgerlichen Lebensstil seiner Auftraggeber Grete und Fritz Tugendhat wider. Die Villa gilt als das wichtigste Werk des Architekten in der Vorkriegszeit und als der Bau in Europa, der am authentischsten erhalten ist.

Seitdem eine umfassende Renovierung 2012 abgeschlossen wurde, hat ein beeindruckender Besucheransturm auf das Haus Tugendhat eingesetzt, alljährlich besuchen es 40.000 Menschen aus aller Welt. Sie werden in kleinen Gruppen durch das Haus geführt, weshalb man monatelang warten muss, um ein Eintrittsticket zu ergattern.

Derzeit gibt es im MAK eine Ausstellung zum Haus Tugendhat zu sehen. Es ist eine Wanderausstellung, die schon mit großem Erfolg in Chicago, London, New York oder Rotterdam gezeigt wurde und nach der Station in Wien weiterwandert nach Gent und Oslo. Gezeigt werden Fotos und Pläne.

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MAK - Das Haus Tugendhat

Villa Tugendhat
Pandorafilm - Haus Tugendhat

Das Haus Tugenhat zeigt sich zur Straße hin eingeschossig bescheiden. Die ganze Pracht erschließt sich erst, wenn man gartenseitig im Wohnsalon vor der riesigen Fensterfront steht und den betörenden Blick über den Park und die Dächer der Stadt Brünn genießt. Selbst heute noch - 85 Jahre später - ist es ein aufsehenerregender Effekt, dass sich die Fensterelemente zur Gänze in den Boden versenken lassen, und man somit halb im Garten steht und den Wind durchs Wohnzimmer streichen spürt.

Onyx und exotische Holzarten

So viel Luft und Sonne ließen die Zeitgenossen daran zweifeln, ob man in so einem Haus überhaupt wohnen könne. Die Verwendung einer Stahlskelettkonstruktion für ein privates Wohnhaus, aber auch die Verwendung kostbare Materialien wie Onyx oder exotische Holzarten galten damals als Novum, wie der Kurator der Ausstellung, Rainald Franz erklärt. Nach der Flucht der jüdischen Familie wurde die Villa von der Gestapo konfisziert, und die wertvolle Makassar-Ebenholzwand verschwand. Es war nicht einfach, sie wieder zu finden: Als die Nazis das Haus konfiszierten, zerschnitten sie die Wand und verwendeten Teile im Casino der SS in Brünn. Heute ist es das Restaurant der Universität. "Aufgrund von Autopsie hat das unser Brünner Kollege rekonstruieren können, und dadurch haben wir das Original-Ausstattungsdetail wiedergewinnen können", erklärt Rainald Franz.

Es begann eine wechselvolle Geschichte begann für das Haus. 1945 haben die Russen das Haus konfisziert, und es war eine Kavallerie-Abteilung der Sowjetischen Armee darin untergebracht. Entsprechend wurde das Haus verwüstet. 1992 erlangt das Haus Tugendhat sogar weltpolitische Bedeutung, als Verhandlungen zur Aufteilung der Tschechoslowakischen Republik stattfanden und dann der Vertrag von Vaclav Klaus und Vladimir Meciar.

Heute ist das Haus weitgehend originalgetreu renoviert, die Möbel im Kinder und Mädchenzimmer wurden nachgebaut, es erweckt einen fast bewohnten Eindruck. Im Wohnzimmer stehen mehrere von Mies van der Rohe entworfene Freischwinger in grünem Leder, die den stolzen Namen Brno tragen und heute weltweit als Designklassiker gelten.

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