Kunst um 1990 im MUMOK

Das Wiener Museum moderner Kunst (MUMOK) beleuchtet das internationale Kunstgeschehen um 1990. Auf drei Ebenen werden Installationen, Publikationen, Objekte, Projekte, Filme und Interventionen von über 50 Künstler/innen und Gruppen präsentiert.

Holztisch, Ausstellungsansicht

MUMOK/LAURENT ZIEGLER

Kulturjournal, 20.10.2015

Discman, Gogo-Tänzer und Diskurs

"1993" heißt ein legendäres Album der US-amerikanischen Underground-Formation Sonic Youth und so hieß auch eine Ausstellung im New Yorker New Museum, die sich vor rund zwei Jahren der Kunst der 1990er Jahre widmete. In den Metropolen der Welt wütete die Aids-Epidemie und bereits damals machte sich das Gefühl breit, dass die sogenannten fetten Jahre vorbei seien: Am Kunstmarkt kriselte es und die Auswirkungen einer zunehmend globalisierten Wirtschaft warfen erste Schatten voraus.

Er ist braun gebrannt, gut gebaut und lässt sich von verschämt gaffenden Zuschauern und Zuschauerinnen nicht aus der Ruhe bringen. In den Ausstellungshallen des MUMOK geht es dieser Tage ausgelassen zu. Ein Gogo-Tänzer in knallengen silbernen Hotpants bewegt lasziv die Hüften. Die Beats hört freilich nur er - über einen Discman. Groß und unhandlich war er, der Discman. Erinnern Sie sich noch? Die Ausstellung "to expose, to show, to demonstrate" präsentiert sozusagen im Vorbeigehen ein Stück Medienarchäologie. Kassetten oder VHS Videos wird man hier finden. Doch kein Grund, nostalgisch zu werden. Denn der Blick zurück soll bekanntlich immer auch Perspektiven in die Zukunft öffnen, und - glaubt man MUMOK-Kurator Matthias Michalka - wird in der künstlerischen Praxis der 1990er Jahre Vieles vorbereitet, was sich bis heute fortpflanzt.

Medienarchäologie im Kunstraum

Mit Akribie und dem Blick fürs Detail hat Matthias Michalka die Dekade der 1990er Jahre im MUMOK wiederauferstehen lassen. Die eingangs beschriebene Tanz-Performance ist übrigens die Reinszenierung einer Arbeit, die der kubanische Künstler Felix Gonzalez-Torres 1991 in der Andrea Rosen Gallery in New York zeigte: Torres funktionierte den minimalistischen Sockel einer abwesenden Skulptur kurzerhand zum Podium eines Gogo-Tänzers um. Der White Cube verwandelt sich so zum Ort homoerotischer Intimität, die Formen künstlerischer Präsentation stehen auf dem Prüfstand.

Künstlerische Präsentationsformen auf dem Prüfstand

"Wir beginnen jetzt, die Zeit um 1990 historisch aufzuarbeiten. Es ist wichtig, dass man sich als Museum in diesen Prozess der Historisierung einbringt", sagt Kurator Michalka. Aus österreichischer Sicht ein Meilenstein der 1990er Jahre: Die Gestaltung des österreichischen Pavillons bei der Venedig-Biennale 1993. Drei Künstler waren daran gemeinsam beteiligt: der Österreicher Gerwald Rockenschaub, die US-Amerikanerin Andrea Fraser und der Schweizer Christian Philipp Müller.

Am Rand der westlichen Welt

"Es war damals ein Skandal, dass Gerwald Rockenschaub Künstler eingeladen hat, die nicht aus Österreich kommen. Es gab eine hitzige Debatte in den österreichischen Medien. Wir sind schließlich zum Schluss gekommen, dass wir uns darauf beziehen müssen", sagt Christian Philipp Müller. Er setzte sich in seinem Beitrag mit der österreichischen Identität auseinander: Acht historische Grafiken waren im Seitenflügel des österreichischen Pavillons zu sehen. Sie zeigten österreichische Grenzorte. Kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs markierten diese Orte gewissermaßen das Ende - wenn schon nicht der bekannten -, so zumindest der westlichen Welt.

Service

MUMOK - to expose, to show, to demonstrate, to inform, to offer. Künstlerische Praktiken um 1990

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